Kein Schifferball in Roßlau Kein Schifferball in Roßlau: Corona schafft, was bislang nur zwei Weltkriegen gelang

Roßlau - Es ist passiert, was über anderthalb Jahrhunderte in der Elbestadt undenkbar war: Der Roßlauer Schifferball 2021 ist ausgefallen. Stand sonst der zweite Sonnabend im Januar für die Kameraden ähnlich unverrückbar im Kalender wie Ostern nach Karfreitag, blieb am vorigen Wochenende die Elbe-Rossel-Halle dunkel und leer. Corona hat die Tradition gekippt.
„Das ist so traurig, wie das ganze letzte Jahr für unseren Verein“, sagt der langjährige Vereinsvorsitzende und aktuelle „Direktor“ vom Schiffermuseum, Dieter Herrmann. Der 1847 gegründete Roßlauer Schifferverein hat von Beginn an die Kameradschaftsabende gehegt und gepflegt.
Wenn Zeit dafür war. Und das war im Winter, wenn die Elbe zugefroren und Binnenschifffahrt unmöglich war. Einzig in den Jahren des Ersten und Zweiten Weltkrieges packte der Schifferverein die Bälle „auf Eis“. Und nach 1945 hatte dann die sowjetische Besatzungsmacht das Kommando übernommen und die Vereinsarbeit per SMAD-Befehl untersagt.
Der Roßlauer Schifferverein wurde im Oktober 1990 neu gegründet
1947 dann allerdings schlug sich in Roßlau der damalige „Strommeister“ Willi Speckter, der offiziell den Pegel an der Elbebrücke betreute, für die Schiffer in die Bresche. Er konnte mit den Machthabern offiziell als „Verfolgter des Naziregimes (VDN)“ reden und ihm gelang es, die Schiffer neu zu organisieren.
Nicht als Verein, sondern quasi unter einer Tarnkappe sammelten sich die Kameraden zunächst unter dem Dach der Gewerkschaft (IG Transport) als „Schifferkameradschaft Roßlau“, dann als „AG Schiffer“ beim Kulturbund der DDR. Das blieb so bis zur Zeitenwende 1989/90. Der Roßlauer Schifferverein wurde neu gegründet im Oktober 1990.
Getanzt aber wurde bereits seit 1947 wieder. Die Lokalitäten haben mehrfach gewechselt. Zunächst führten die Schiffer ihre Frauen in „Kurth’s Ballhaus“ in der Hauptstraße, Ecke Anhaltiner Platz, auf die Tanzfläche, dann im ehemaligen Kreiskulturhaus an der Luchstraße oder im Saal der Schiffswerft Roßlau.
Seit 2000 fand der Schifferball in der neuen Mehrzweckhalle am einstigen Goethe-Gymnasium statt
Ab 2000 fand der Schifferball dann in der neuen Mehrzweckhalle am einstigen Goethe-Gymnasium, heute Elbe-Rossel-Halle, statt. Auch in der fusionierten Doppelstadt Dessau-Roßlau war der Schifferball im Januar immer der Auftakt zu den gesellschaftlichen Jahreshöhepunkten.
Nun liegt das Vereinsleben pandemiebedingt völlig auf dem Trocknen. 2020 gab es noch den Schifferball vor vollem Haus und dann kam Corona. Geplante Veranstaltungen mussten ausfallen. „So gab es keine Sonderausstellung zum Museumstag im Mai, auch kein Jubiläum zum 20. Geburtstag unseres Schiffermuseums, keine Lesungen oder Filme und auch kein Schifferfest“, seufzt Dieter Herrmann und fürchtet für die Zukunft: „Ist erst das Vereinsleben auf Null heruntergefahren, fällt es schwer, die Leute bei der Stange zu halten.“
Die derzeit 48 Mitglieder im Schifferverein sind zum Teil schon im hohen Alter. Dann ist irgendwann auch die eigene Bequemlichkeit verlockend.
Immerhin, der Wille lebt noch: „Wir wollen unser Schiff auf Kurs halten“, so Dieter Herrmann. Er zählt 84 Jahre. (mz)