1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Kein Piks, kein Job: Was wurde aus Dessauer Pflegedienst, der Anfang 2021 ungeimpften Mitarbeitern kündigte?

Lob für Knallhart-Chef? Kein Piks, kein Job: Was wurde aus Dessauer Pflegedienst, der Anfang 2021 ungeimpften Mitarbeitern kündigte?

Anfang des Jahres machte ein Mosigkauer Pflegedienst bundesweit Schlagzeilen, weil er ungeimpfte Mitarbeiter kündigte. Was ist seitdem passiert?

Von Oliver Müller-Lorey 12.11.2021, 09:45
René und seine Ehefrau Conny Willmer führen in Mosigkau die Geschicke des Pflegedienstes, der nur geimpfte Mitarbeiter beschäftigt.
René und seine Ehefrau Conny Willmer führen in Mosigkau die Geschicke des Pflegedienstes, der nur geimpfte Mitarbeiter beschäftigt. (Foto: Thomas Ruttke)

Mosigkau/MZ - René Willmer hat Redebedarf. Viel Redebedarf. Es sei Zeit, endlich mal deutlich auszusprechen, dass seine Entscheidung vor rund zehn Monaten goldrichtig war, macht er direkt zu Beginn des Telefonates deutlich. Und dass alle, die ihm damals schwere Fehler und die Schädigung seines Unternehmens vorgeworfen hatten, daneben lagen, das sei ja inzwischen wohl auch klar.

Der Anruf des Mitarbeiters im Mosigkauer „Pflegedienst Willmer“ kommt etwas überraschend. René Willmer ist der Ehemann der Geschäftsführerin und hatte im Januar dieses Jahres bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil er sieben Mitarbeiterinnen, die sich nicht impfen lassen wollten, gekündigt hatte. Neben Lob gab es auch viel Kritik für den Geschäftsmann, der sich von Betroffenen, aber auch von manchen Medien falsch verstanden fühlte.

„Wir haben Hassmails und Drohanrufe bekommen“

Damals - es sprach noch niemand von 2- oder 3G-Regelungen und die Impfkampagne lief gerade erst an - sorgte die Quasi-Impfpflicht für einen handfesten Skandal. Der Pflegedienst wurde angefeindet. „Wir haben Hassmails und Drohanrufe bekommen“, erinnert sich Willmer. Doch er blieb bei seiner Entscheidung, nur geimpftes Personal zu seinen pflegebedürftigen Kunden zu lassen.

Die Impfverweigerung als Kündigungsgrund zu benennen, das vermied er wohlwissentlich, da das den Ex-Angestellten vor Gericht wohl in die Karten gespielt hätte. Die meisten von ihnen waren ohnehin in der Probezeit, in der eine Auflösung des Arbeitsvertrages keiner Begründung bedarf.

So berichtete die MZ am 20. Januar 2021
So berichtete die MZ am 20. Januar 2021
(Foto: MZ)

„Wir haben kurz darauf jede Menge Bewerbungen von geeigneten Pflegekräften bekommen, die unbedingt bei uns arbeiten wollten“

Die Entscheidung, sich impfen zu lassen, hätte auch kein Mitarbeiter von heute auf morgen treffen müssen, betont er. „Alle hatten mehrere Wochen Zeit, sich das zu überlegen.“ Als auf einer Informationsveranstaltung, zu der Willmer eine Ärztin eingeladen hatte, von einigen Mitarbeitern jedoch wilde Verschwörungstheorien geäußert worden seien, habe er keine Möglichkeit mehr für eine berufliche Zusammenarbeit gesehen. Er machte sich schon damals in Gesprächen mit Journalisten einen Spaß daraus, nicht das Wort „Kündigung“ zu benutzen, sondern zu erklären, er habe die Mitarbeiter „dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.“

Das formuliert er auch heute, zehn Monate später noch so. Und seine Stimmung ist selbstbewusster denn je. Er wolle nicht über damals reden, sondern lieber über die Zeit danach. „Wir haben kurz darauf jede Menge Bewerbungen von geeigneten Pflegekräften bekommen, die unbedingt bei uns arbeiten wollten. Die haben uns die Bude eingerannt, das Telefon stand nicht mehr still.“ Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn habe, als er von Willmers Vorgehen gehört habe, angerufen und ihm zu seiner Entscheidung gratuliert. Das sei vor zwei bis drei Monaten gewesen. Nachprüfen lässt sich all das jetzt freilich nicht mehr.

Beweis genug sei auch die Tatsache, dass bislang kein einziger Patient oder Mitarbeiter an Corona erkrankt sei.

Willmer jedenfalls ist überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dass die Landesregierung die Regeln für Pflegekräfte in dieser Woche anzog - sie müssen sich, wenn sie ungeimpft und nicht genesen sind, täglich testen - bestärkt ihn darin. Beweis genug sei auch die Tatsache, dass bislang kein einziger Patient oder Mitarbeiter an Corona erkrankt sei. Bei 180 Patienten und 23 Beschäftigen sei das doch ein gutes Zeichen, sagt er.

„Die Medien“ hätten ihm damals vorgeworfen, es werde eine „Delle“ im Ansehen des Pflegedienstes zurückbleiben. Genau das Gegenteil sei passiert. Und weil die ganze Geschichte so gut ausgegangen sei, legt Willmer jetzt noch einen drauf. „Als Dankeschön für meine Mitarbeiter spendiere ich ihnen für den Sommer allen eine Reise mit Hotelaufenthalt auf Mallorca“, sagt er, und man hört förmlich, wie er sich am anderen Ende der Telefonleitung freudig die Hände reibt. „Im Nachhinein habe ich alles richtig gemacht.“