Justizvollzugsanstalt Dessau Justizvollzugsanstalt Dessau: Der Umzug hat begonnen

Dessau - Der Landtag hat vor seiner Sommerpause die Schließung der Dessauer Justizvollzugsanstalt besiegelt. Zum 30. September wird das Objekt beräumt. Die Vollzugsbeamten stehen damit vor einer logistischen Herausforderung. Welche Maßnahmen seit dem Beschluss eingeleitet wurden, welche demnächst greifen, wollte MZ-Redakteurin von Anstaltsleiter Udo Winterberg wissen. Sie fragte ihn: Wie löst man ein Gefängnis auf?
Herr Winterberg, haben Sie den Schließungsbeschluss des Landtages erwartet oder zählten Sie zu denen, die bis zuletzt auf eine andere Entscheidung gehofft haben?
Winterberg: Es ging bei der Entscheidung wohl weniger ums Hoffen, sondern vielmehr darum, bestehende freie Haftplatzkapazitäten in anderen Anstalten des Landes zu nutzen und vor allen Dingen, das frei werdende Personal dort zur Verfügung zu stellen. Wie bekannt ist, ist Personal im Vollzugsdienst knapp.
Wie das Justizministerium bestätigte, ist der gesamte U-Haft-Bereich inzwischen beräumt. Im Umkehrschluss heißt das doch, dass die Dessauer JVA keine Untersuchungshaft mehr hat und die Polizei der Region Gefangene anderswohin überstellen muss?
Winterberg: Insgesamt wurden 20 Personen, die sich in Untersuchungshaft befinden, zur JVA Halle verlegt. Das heißt aber nicht, dass in Dessau derzeit keine Untersuchungsgefangene mehr angenommen werden. Für einen Aufnahmestopp wäre nämlich die Änderung des Vollstreckungsplanes erforderlich. Ein neuer Plan soll voraussichtlich am 15. August in Kraft treten. Bis dahin werden Gefangene - wie bisher - in Empfang genommen. Sie werden dann aber zeitnah in andere Vollzugsanstalten des Landes verlegt.
Die Justizvollzugsanstalt Dessau wurde 1886 nach dreijähriger Bauzeit als „Herzogliches Landgericht“ mit Gerichtsgefängnis fertiggestellt. Am 7. März 1945 wurde auch die JVA durch alliierte Luftstreitkräfte zerstört. 1958 wurde der Wiederaufbau des Gefängnisses abgeschlossen.
Zu DDR-Zeiten beherbergte das Haus auch eine Jugendstrafanstalt und eine Frauenabteilung. Seit der Wende sind nur noch erwachsene Strafgefangene und U-Häftlinge in der JVA untergebracht.
Vor 81 Jahren, am 17. Januar 1934, wurden die letzten Todesurteile in der Haftanstalt vollstreckt. Hingerichtet wurden der Böttcher Karl Hans und der Korbmacher Wilhelm Bieser aus Hecklingen im Harzvorland (heute Salzlandkreis). Die Hinrichtung erfolgte durch den Scharfrichter Engelhardt aus Schmölln mit dem Handbeil. „Den beiden Kommunisten aus Hecklingen war vorgeworfen worden, in ihrem Heimatort einen SA-Mann gemeinschaftlich ermordet zu haben. Wenige Monate nach der Hinrichtung stellte sich ihre Unschuld heraus“, heißt es in der 1998 erstmals herausgegebenen Chronik der Justizvollzugsanstalt.
Wie viele Gefangene sitzen in Dessau ein und von wie vielen Mitarbeitern werden sie betreut?
Winterberg: Von den 120 Mitarbeitern wurden bislang zwei in die JVA Halle versetzt. Weitere zehn wechseln zum 24. August den Arbeitsplatz, weitere voraussichtlich im September. Mit der Verlegung der Strafgefangenen wird sukzessive Ende August begonnen. Sie sind bereits über ihre bevorstehende Verlegung informiert. 24Stunden vorher werden die meisten der 133 Gefangenen angehalten, ihre Sachen zu packen. Jedoch nicht alle müssen umziehen. Für einige steht bis Ende September die Entlassung aus der Haft an.
Kommt Ende August ein großer Umzugswagen?
Winterberg: Mehrmals pro Woche wird ein Transportfahrzeug samt Anhänger vorfahren und die Gefangenen in die unterschiedlichsten Vollzugsanstalten bringen.
Das heißt, es geht nicht zwingend in die JVA Halle?
Winterberg: Wohin sie im Einzelnen gebracht werden, das hängt von ihrem Alter, von ihrem Strafmaß und der Haftart ab. Danach wird entschieden, ob sie ihre Strafe in der Justizvollzugsanstalt Halle, in der in Burg, Volkstedt oder in Raßnitz verbüßen. Sind die Gefangenen verteilt, dann wird die Anstalt beräumt und schließlich zur Übergabe an das Liegenschaftsmanagement des Landes vorbereitet.
Nach der Wirtschaftskrise hatte die Bundesregierung ein Konjunkturpaket II aufgelegt. Die JVA Dessau hat enorm davon profitiert. Die neue Sicherheitszentrale kostete über 400000 Euro, für eine Million wurde eine Werkhalle errichtet, für 750000 Euro das Hafthaus II saniert. Die Investitionen sind gerade mal fünf Jahre her.
Winterberg: Die Sicherheitstechnik wird ausgebaut und steht anderen Anstalten zur Verfügung. Für die Werkhalle wird vermutlich auf dem freien Markt eine Lösung gefunden, ebenso wie für den gesamten Gebäudekomplex. Es ist nicht Sache des Justizministeriums, über die Zukunft des Areals zu entscheiden. Die Justiz übergibt es dem Liegenschaftsmanagement des Landes. Dort wird eine Nachnutzung organisiert.
Wird in der Werkhalle eigentlich noch gearbeitet?
Winterberg: Die Produktionsstätten werden abgebaut und in andere Anstalten verlagert. Es ist gelungen, dass kein Arbeitsplatz verloren geht.
Verbleiben wie versprochen 15 Haftplätze für den offenen Vollzug?
Winterberg: Ja. Wir haben in diesem Bereich gut mit der Stadt Dessau-Roßlau und mit dem Dessauer Stadtpflegebetrieb zusammengearbeitet. Ich hoffe, diese Zusammenarbeit wird fortgesetzt, wie im übrigen auch in anderen Regionen des Landes zwischen Haftanstalten und Kommunen ein gutes Klima herrscht.
Vor einem Jahr im Juli hatten Vollzugsbeamte und Dessauer gegen die Schließungspläne von Ministerin Angela Kolb protestiert. Wie geht es für die Mitarbeiter weiter?
Winterberg: Es gab seitdem viele persönliche Gespräche zwischen Ministerium und den Bediensteten. Jeder konnte sich dazu äußern, an welchem Standort er am liebsten arbeiten würde und welchen er kategorisch ablehnt. Alle diese Wünsche wurden berücksichtigt.
Wo werden Sie künftig Ihren Arbeitsplatz haben?
Winterberg: Ich bin seit Januar Leiter der Justizvollzugsanstalt Volkstedt. Wenn meine Arbeit hier in Dessau erledigt ist, dann gehe ich dorthin zurück. (mz)
