Junges Wildschwein stürmt Dessauer Videothek
Dessau/MZ. - "Es war so gegen 16 Uhr, da gab es einen Knall, die Eingangstür sprang auf und etwas Schwarzes huschte hinter in den Erotik-Bereich", kann Robert Sprung, Mitarbeiter der Videothek in der Heidestraße, das Geschehen auch einen Tag später kaum fassen. Er wartete, bis ein Kunde den Raum verlassen hatte, dann ging der 20-Jährige in den hinteren Raum um den "Hund", wie er annahm, hinauszujagen.
Was nun folgte, war Sekundensache. "Kaum hatte ich erkannt, dass ein Wildschwein vor dem Regal saß, da ging es auch schon auf mich los und verpasste mir einen Striemen am Bein", zeigt der junge Mann auf einen etwa 20 Zentimeter langen Kratzer. Mit Fußtritten habe er den Angriff abgewehrt.
Geistesgegenwärtig sperrte Robert Sprung mit großen Tafeln den Durchgang zum Familienbereich der Videothek ab, in dem sich mehrere Kunden aufhielten. Dann rief er die Polizei. Die kam nach längerer Zeit, wie Sprung erzählt, mit dem Amtstierarzt, der das Tier betäubt habe.
Der Videothek-Mitarbeiter ist froh, dass sein Erlebnis nun in der Zeitung steht. "Als ich meine Kunden mit der Begründung wegschickte, dass ein Wildschwein in der Videothek sitzt, meinten die, ich soll sie nicht verarschen", schildert Sprung die groteske Situation. Dass Polizei, Amtstierarzt Thomas Moeller und Stadtjäger Norbert Müller einige Zeit auf sich warten ließen, hatte seinen Grund: Eine Rotte mit acht Wildschweinen irrte in der Innenstadt umher. Notrufe kamen ab 16 Uhr von mehreren Schauplätzen gleichzeitig an. 14 Polizisten und zwei Feuerwehrmänner der Berufsfeuerwehr waren bis 20.45 Uhr im Einsatz.
"Es kam direkt auf uns zu, machte dann kehrt und stieß mit einem Knall gegen die Scheibe der Straßenbahn-Haltestelle am August-Bebel-Platz. Die Scheibe ist in tausend Stücke zersprungen", berichtet MZ-Leser Martin Händler.
Die zum Teil recht aggressiven Wildschweine seien aus Richtung Mulde gekommen und an einem Spielplatz vorbei gelaufen. "Es waren viele ältere Leute unterwegs. Frauen haben geschrien und hinter einem Gitter Schutz gesucht", schildert Händler das Geschehen in der Franzstraße. Zum Glück hätten die Kraftfahrer die Gefahr rechtzeitig erkannt.
Zu einem Verkehrsunfall mit Schwein-Beteiligung kam es laut Polizei allerdings auf der Brauereibrücke in der Askanischen Straße. Der Stadtjäger habe das Tier dort mit seiner Schusswaffe erlegt.
Nein, so etwas habe er in seinen 15 Dienstjahren in der Innenstadt von Dessau noch nicht erlebt, sagt Stadtjäger Norbert Müller. Bei der Rotte vom Sonntag habe es sich um einjährige Frischlinge gehandelt. "Die waren ohne Führungsbache unterwegs und wegen ihrer Unerfahrenheit wohl in die Stadt gelaufen", vermutet Müller.
Stress sei dann wohl auch Ursache für die Angriffslust der Tiere gewesen und dafür, dass die Betäubungsspritze bei einem der Wildschweine kaum wirkte. Nach dem Schuss des Amtstierarztes mit dem Betäubungsgewehr sei dieses Tier die Radegaster Straße entlang gelaufen und habe trotz seiner nur 30 Kilogramm bei seiner "Festnahme" einigen Widerstand geleistet. "Wir haben es zu dritt festgehalten", berichtet der Stadtjäger, der schließlich auch dieses Wildschwein erlegt hat.
So rechte Jagdlust wollte beim Stadtjäger allerdings während der ganzen Aktion nicht aufkommen. "Ich will hoffen, dass so etwas nicht nochmal passiert", meinte er sichtlich geschafft.