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Jüdische Gemeinde Dessau  Jüdische Gemeinde Dessau : Bleibt die neue Synagoge ein Traum?

Von Annette Gens 16.02.2016, 21:48
Die Kurt-Weill-Gesellschaft brachte Planungen für einen Neubau auf den Weg, denn jüdisches Leben soll in Dessau eine Zukunft haben.
Die Kurt-Weill-Gesellschaft brachte Planungen für einen Neubau auf den Weg, denn jüdisches Leben soll in Dessau eine Zukunft haben. MZ-Archiv

Dessau - Es klang alles so optimistisch. Ein Geschenk, ein Projekt, ein Bau. Doch denkt Alexander Wassermann, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Dessau und Mitglied des Direktoriums im Zentralrat der Juden, heute an den Neubau einer Synagoge in Dessau, dann treten Sorgenfalten auf seine Stirn. „Wir können das Projekt vermutlich nicht umsetzen“, erklärt Wassermann mit Blick auf die Realität, die für ihn aus Kosten besteht. 2,5 Millionen Euro wären notwendig, um nach Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacobi an historischer Stelle eine Synagoge errichten zu lassen. Die Investition benötigt Geld, das „die Jüdische Gemeinde zu Dessau ohne Hilfe nicht aufbringen kann“.

Mit 360 Mitgliedern ist die Jüdische Gemeinde zu Dessau in ihrer Größe vergleichbar mit der in Cottbus, die gerade dabei ist, die dortige ungenutzte Schlosskirche als Gebetshaus umzunutzen. In vielen Städten der alten Bundesrepublik sind im Laufe der Jahre wieder Synagogen entstanden, im Land Sachsen-Anhalt keine einzige. Das paradoxe im Lande: Auch hier lassen sich jüdische Gebetshäuser finden. Doch die Synagoge in Gröbzig wird als Museum genutzt. Die in Wörlitz ist Bestandteil des Unesco-Welterbes und des Schlossparks. Die in Halberstadt ist fremdgenutzt. „Und in allen drei Orten wohnen keine gläubigen Juden mehr“, weiß Wassermann. Die Gebäude wurden so zu Hüllen oder Erinnerungsstätten.

Entwurf war ein Geschenk

Zur Eröffnung des 22. Kurt-Weill-festes 2014 hatte die Weill-Gesellschaft mit einer Überraschung für die jüdische Gemeinde zu Dessau aufgewartet. Ihr wurde das Projekt einer Synagoge in Aussicht gestellt. Beauftragt, erste Planungen zu erstellen, wurde in der Folge der Architekt Alfred Jacoby aus Frankfurt, der Erfahrungen im Bau von Synagogen besitzt. 5.000 Euro stiftete die Gesellschaft, die alljährlich mit einem Festival an den begnadeten Dessauer Komponisten und Juden Kurt Weill erinnert, für erste Planungen. Es war ein Hoffnungsschimmer, erinnert sich Wassermann an den Abend vor rund zwei Jahren. In Politikerkreisen wurden bereits Namensvorschläge für das neue Haus diskutiert. Weills Vater war schließlich Kantor der Dessauer Synagoge.

Dessau-Roßlau steht dem Projekt sehr aufgeschlossen gegenüber, weiß Wassermann. Das Grundstücksrecht könne auf die Gemeinde übertragen werden. Der Zentralrat der Juden wiederum würde das Projekt mit einer höheren fünfstelligen Summe fördern. „100.000 Euro könnten wir selbst dazu beitragen“, ist Wassermann stolz, auf die Sammlungen und spenden unter Gemeindemitgliedern und von außerhalb. Bisher habe die Jüdische Gemeinde nichts unversucht gelassen, weitere Mittel zu erschließen, sagt er, aber eben ohne großen Erfolg.

So wurden Bittbriefe an Banken und Firmen und Konzerne verschickt, die allesamt abschlägig bescheiden worden waren. Gesucht wurden mögliche Verwandte Kurt Weills sowohl in Amerika als auch in Israel. Die Hoffnung, sie zu finden und als Unterstützer zu gewinnen, ging nicht auf. Die Hoffnung für das Dessauer Projekt schwand immer mehr, als bekannt wurde, dass auch in Magdeburg geplant ist, eine Synagoge zu bauen. Über sechs Millionen Euro Baukosten sind für das Projekt in der Landeshauptstadt veranschlagt worden.

Jüdisches Leben mit Tradition

Die Jüdische Gemeinde zu Dessau weiß andererseits, dass das unter Denkmalschutz stehende Gemeindehaus in der Kantorstraße zu klein ist. „Wir bräuchten einen größeren Gebetssaal“, erklärt Wassermann, weshalb Alternativen geprüft werden sollen. Ein renommiertes Dessauer Architekturbüro hatte sich der Fragestellung angenommen. Ein viel bescheidenerer Anbau, eine fällige Generalsanierung des Gebäudes sowie die Gestaltung der Freifläche wäre etwas mehr als eine Million billiger. Selbst dem Cottbusser Beispiel, der Umwidmung einer Kirche zur Synagoge, könnte Wassermann gedanklich folgen. Bislang aber sei alles in der Schwebe und die Gemeinde habe ein schlechtes Gewissen, das Geschenk der Kurt-Weill-Gesellschaft endgültig ausschlagen zu müssen.

Die Synagoge  an der Askanischen Straße/Steinstraße wurde zwischen 1906 und 1908 nach  Plänen des Architekturbüros Cremer & Wolffenstein aus Berlin errichtet. Der hohe stattliche Kuppelbau mit Davidstern  prägte fast 30 Jahre lang das Stadtbild Dessaus. Sie war die wichtigste  Synagoge Anhalts. In den Nachmittagsstunden des 9. November 1938, der so genannten Reichs-Kristallnacht, wurde die Synagoge geplündert, in Brand gesetzt und zerstört.

Ob sie das muss? Thomas Markworth, Präsident der Kurt-Weill-Gesellschaft, erinnerte daran, welche Botschaft mit dem Bau einer neuen Synagoge verbunden ist. Zur Erinnerung. Seit dem 17. Jahrhundert lebten Juden in Dessau. Die Kurt-Weill-Gesellschaft will das Projekt eines Neubaus weiter unterstützen, sagte Markworth zu. „Wir müssen zusammen mit der Landesregierung überlegen, wie das Projekt langfristig finanziell untersetzt werden kann.“ Markworth sieht den geplanten Bau einer Synagoge in Magdeburg nicht als Konkurrenz. (mz)

Der Kuppelbau mit goldenem Davidstern (links) brannte am 9. November 1938 als eine der ersten Synagogen Deutschlands ab. Die Kurt-Weill-Gesellschaft brachte Planungen für einen Neubau auf den Weg, denn jüdisches Leben soll in Dessau eine Zukunft haben.
Der Kuppelbau mit goldenem Davidstern (links) brannte am 9. November 1938 als eine der ersten Synagogen Deutschlands ab. Die Kurt-Weill-Gesellschaft brachte Planungen für einen Neubau auf den Weg, denn jüdisches Leben soll in Dessau eine Zukunft haben.
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