Jazzmusiker Gerold Heitbaum Jazzmusiker Gerold Heitbaum: Dessauer Liebe

waldersee - Es ist eine Situation, die so einfach ist: Gerold Heitbaum taucht in einem Jazz-Club in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi auf. „Ich würde gern ein paar Stücke spielen.“ Kein Problem. Er packt seine Gitarre aus, schlägt den Titel vor und spielt mit der Band. Eigentlich wäre danach ein anderer dran gewesen, aber es hieß nur: „Nein, bleib Du mal!“
Heitbaum ist Jazzmusiker, Komponist, Dozent für Gitarre und Bass - und Weltreisender. Immer wieder zieht es ihn vor allem nach Asien. Jetzt ist er nach fast 30 Jahren in Köln nach Waldersee gezogen. Dort hat er mit seiner Frau ein Haus gefunden. Für Dessau hat sich der 55-Jährige bewusst entschieden. „Das Bauhaus hat uns angelockt, aber die Natur und Landschaft haben uns überzeugt. Es ist eine Stadt mit einer beeindruckenden Tradition. Und ich mag die Offenheit der Menschen.“
Kein Small-Talk
Ein Jahr lang hatte das Paar gesucht, blieb auch mal in der Stadt und erkundete die Gegend. Heitbaum ist ein guter Beobachter, mit wachem Blick, einer gewissen Behutsamkeit und aufrichtiger Freundlichkeit. Wohl auch deshalb findet er schnell Zugang. „Wir sind immer wieder gern gekommen und haben nette Leute kennengelernt. Kein Small-Talk, sondern sie haben uns ihre Lebensgeschichten erzählt, was sie denken und erlebt haben. Mit den Nachbarn waren wir gleich per Du.“ In Waldersee gibt Heitbaum Gitarren- und Bassunterricht, pendelt aber alle zwei Wochen ins Ton- und Videostudio nach Werne an der Lippe. Dort produziert er eigene Songs, aber auch CD’s und DVD’s für Künstler verschiedener Stilrichtungen.
In Werne, einer Kleinstadt zwischen Münster und Dortmund, ist Heitbaum 1960 geboren. Musik wollte er schon als langhaariger 15-Jähriger machen. Stundenlang hörte er in seinem Zimmer aus einem alten Röhrenradio Rock von Deep Purple, Led Zeppelin und Jimi Hendrix. „Da war die Zeit kommerzfreier. Heute ist Musik oft so festgelegt, es geht mehr ums Geschäft.“ Dabei soll sie eigene Bilder und Gedanken inspirieren, sagt Heitbaum. „Sie kann den Zuhörer verzaubern, in andere geistige Welten bringen. Und im Innern etwas verändern.“
Er lernte in der Musikschule Gitarre spielen, machte mit seinem Cousin Musik, komponierte auch selbst und kam auf den Jazz. Mit 18 nahm er an einem Musikwettbewerb in Dortmund teil. Heitbaum gewann - auch seine Eltern. „Das war nicht so einfach. Aber mit dem Preis war eine Lanze gebrochen.“ Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung am Münchener Gitarreninstitut und studierte Kontrabass am niederländischen Conservatorium Maastricht.
Freiheit und Unbestimmtheit
Regelrecht gefangen genommen hat ihn in den 80ern die Musik von Jean „Django“ Reinhardt. Der 1953 verstorbene Franzose gilt als Gründer des europäischen Jazz. Er schuf mit Einflüssen traditioneller Spielweisen der Roma einen völlig neuen Stil. „Die Zigeuner-Musik - damals durfte man das noch sagen - war absolut besonders und intensiv.“ Mit seiner Band „Salut!“ trat Heitbaum in Clubs und bei Festivals auf. So 1982 beim „North Sea Jazz Festival“ in Den Haag, dem größten in Europa. „Im Jazz wird improvisiert. Diese Freiheit, Musik immer anders zu gestalten, liebe ich.“ Dieser Satz steht auch für Heitbaums Haltung zum Leben. Er will frei und selbstbestimmt sein. Der Titel seines Solo-Albums von 2014 ist „On the way“. Er lebte in Konstanz, lernte dort mit 24 seine Frau kennen und zog mit ihr 1987 nach Köln und nun nach Dessau. Er spielte in Bands, gab Konzerte, auch mal zum Frühschoppen im Brauhaus, nahm CD’s auf und traf bekannte Jazzer, die heute in Musik-Lexika stehen.
Dessauer Paradies
Geht er mit seiner Frau auf Reisen, wird nur der Flug gebucht und das Hotel vor Ort gesucht. Pool und Animationsprogramm kommen nicht in Frage. „Wir wollen in dem Land leben, mit den Leuten, nah an den Einheimischen.“ Immer nimmt Heitbaum die Gitarre mit und sucht Musiker, die Jazz spielen. „Das geht sehr einfach. Jazz-Musiker auf der ganzen Welt kennen dasselbe Repertoire.“ Er trat in Fünf-Sterne-Hotels, Clubs und Bars auf. In Bangkok, Hanoi, Shanghai, Kathmandu, auf Bali und Mauritius. „Auf Reisen lernt man viel über andere und sich, man bekommt neue Sichtweisen. Ich will diese Erfahrungen sammeln - das geht nur, wenn man sich offen darauf einlässt.“
Seine neue Heimat sucht er nun im Kleinen. Es ist auch der Wunsch nach einem ruhigeren Leben. Das Paar hat familiäre Verbindungen in der weiteren Region. Oft ist es in Berlin, Halle oder Leipzig unterwegs und eben mit dem Rad in Dessau-Roßlau. Stücke komponiert Gerold Heitbaum meist am Abend. „Wir wollten weg aus der Großstadt. Und hier ist man so schnell im Grünen. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich - für mich ist es ein echtes Paradies. Wir kommen hier zur Ruhe.“ (mz)

