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Impuls-Festival in Dessau-Roßlau Impuls-Festival in Dessau-Roßlau: Wo die Stille zerreißt

Von Thomas Altmann 28.11.2013, 07:56
„Staging the bauhaus“ im Jahr 2012: Das Raumkonzert bildete seinerzeit den Abschluss eines „John Cage - 24 Stunden Bauhaus Happenings“. Dirigent und Moderator war Daniel Carlberg.
„Staging the bauhaus“ im Jahr 2012: Das Raumkonzert bildete seinerzeit den Abschluss eines „John Cage - 24 Stunden Bauhaus Happenings“. Dirigent und Moderator war Daniel Carlberg. Claudia Heysel Lizenz

Dessau/MZ - Die Nacht klingt anders als der Tag, intensiver, näher. Dunkelheit ist hellhörig. Ein Droschkenpferd läuft. Stille. Ragtimemusiker streiten. Stille. Nachtschwärmer, Straßenbahnen, ein Echo fährt über den See: 1906 schrieb Charles Ives sein nächtliches Klangporträt „Central Park in the Dark“.

Offene, geschlossene und geistige Räume, Spiel- und Zwischenräume durchwandert „staging the bauhaus IV - ein Raumkonzert“ am Freitag, 20 Uhr, im Bauhaus Dessau. Das Abschlusskonzert des Impuls-Festivals ist eine Kooperation zwischen dem MDR-Rundfunkchor, der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig, dem Impuls-Festival, der Stiftung Bauhaus und dem Anhaltischen Theater Dessau. Die musikalische Leitung haben Daniel Carlberg, erster Kapellmeister der Anhaltischen Philharmonie, und Universitätsmusikdirektor David Timm.

Alles ist wichtig

Die vierte Auflage von „staging the bauhaus“ greift das Thema der Bühnenausstellung „Mensch - Raum - Maschine“ auf. „Musik im Raum, Raum in Musik, klangliche Durchwanderung von Räumen, Maschinenmusik: Wir werden versuchen, das ganze Bauhaus, die Räumlichkeiten akustisch zu durchwandern“, sagt Carlberg. „staging the bauhaus“ behandle Musik als Bühnenereignis. Nicht nur Musik, sondern auch das Drumherum sei wichtig, Licht, Klang, alles, was in einem Raum stattfinden könne. Das Bauhaus vor der Tür - diese Kooperation sei ein Schatz und eine Verpflichtung, und immer knüpften diese Konzerte an der Klassischen Moderne an.

„Das Hören der Dunkelheit“ (Carlberg), „das Schweigen der Dunkelheit“ (Ives): „Central Park in the Dark“ sei illustre Programmmusik im reinsten Sinne, sehr haptisch. Und immer wieder zerreißt die Stille oder wird von Geräuschen lasiert. Zu Beginn des Konzertes hebt Edgar Varèse, der lange vor John Cage mit neuen Formen der Klangerzeugung experimentierte, das Denken in thematischen Linien auf. Dessen als Bühnendarstellung angelegtes Werk „Déserts“ für Ensemble und Magnettonband (elektronisch manipulierte Geräusche) liefert ein Nebeneinander und Durchdringen von Flächen und Körpern. Carlberg spricht von der physischen Idee des Raumes, vom menschlichen Innenraum und zitiert Varèse. Dieser sagte, dass schon der Titel Assoziationen ins Unendliche auslöse, nicht nur den Eindruck von Ferne, Unfruchtbarkeit und Zeitenthobenheit, „sondern auch den weiten inneren Raum, in den kein Teleskop je vordringt.“

Der zweite Programmteil gehört dem MDR-Rundfunkchor. Zur Aufführung kommen A-Cappella-Kompositionen, erarbeitet in gemeinsamen Seminaren der Hochschule für Musik und Theater Leipzig und des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Man darf gespannt sein auf diesen Chor und die Musik. In einer der beiden Pausen erklingt György Ligetis „Poème symphonique für 100 Metronome“. Sollte nun über die Schichtung von klanglichen Ereignissen, die Überlagerung von Strukturen nachgedacht werden? Carlberg spricht lieber von einer Art Happening ad libitum und der meditativen Wirkung des Verklingens.

Annäherung über Emotion

Der dritte Konzertteil beginnt mit einer Uraufführung eines Auftragswerkes des Impuls-Festivals: „ParadiesMaschine“ von Steffen Schleiermacher. Der Leipziger Komponist und Pianist ist bekannt durch seine Gesamteinspielung des Klavierwerkes von John Cage. Als die Maschinen zu arbeiten begannen, wurden sie nicht nur von den Futuristen gefeiert. Arthur Honegger schrieb 1923/24 „Pacific 231“. Der Titel folgt der Bezeichnung einer legendären Lokomotive. Und Abfahrt, aber wo kommt Neue Musik an, in Tonräumen, in denen die Klänge von thematischen Verpflichtungen befreit sind? Warum ist der Zugang so verstellt? Wie nähert man sich der Neuen Musik? Eben nicht, sagt Carlberg, über ein kaum verständliches Theoriegerüst, sondern über die Bildhaftigkeit und Plastizität der Emotion.

Honegger wollte, so Carlberg, sein Stück nicht als Programmmusik lesen, eher „als ästhetische Darstellung von Kraft und Bewegung“. 1924 sprach Honegger noch vom „Atemschöpfen der Maschine“, von Anstrengung, Anwachsen, Jahre später von einer „abstrakten Idee“. Diese nimmt nun Fahrt auf; wie eine Lokomotive.