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IDT Biologika in Dessau IDT Biologika in Dessau: Drehen an falscher Schraube

Von ANDREAS BEHLING 27.11.2014, 06:49
Die neue Impfstoff-Abfüllanlage der IDT Biologika: Diese soll mit flexibleren Arbeitszeitregelungen einfacher ausgelastet werden.
Die neue Impfstoff-Abfüllanlage der IDT Biologika: Diese soll mit flexibleren Arbeitszeitregelungen einfacher ausgelastet werden. IDT Lizenz

Dessau-ROSSLAU - Im Pharmapark Rodleben brodelt es. Der Betriebsrat der IDT Biologika GmbH leistet Widerstand gegen den Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag. Angekündigt hatte den Geschäftsführer Ralf Pfirmann zum 31. März 2015. Ein Schritt, den Günther Feßer nun als „aus unserer Sicht völlig absurd“ bezeichnet.

Der Vorsitzende des Betriebsrats, der über 1000 Mitarbeiter vertritt, verteidigt die Flächentarifregelung - in dem Fall hat sie die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie mit dem Arbeitgeberverband Nordostchemie ausgehandelt - als absolut zeitgemäß.

„Am Ende lagen immer gute Kompromisse vor, die jeder akzeptieren konnte.“ Das habe auch die Politik gewürdigt.

Die IDT Biologika will zum 31.März 2015 den Arbeitgeberverband Nordostchemie verlassen und damit aus dem Flächentarifvertrag aussteigen. Das kündigte Geschäftsführer Ralf Pfirmann Ende Oktober an. Der derzeit geltende Tarifvertrag läuft zum 30. April 2015 aus. Die Unternehmensführung beabsichtigt, zum 1.Mai 2015 mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) einen Haustarifvertrag abzuschließen.

Pfirmann erklärte im Oktober, das 1200 Mitarbeiter zählende Unternehmen müsse in Bezug auf Arbeitszeiten und auch bei Vergütungen flexibler werden. Der Flächentarifvertrag unterstelle jedes Jahr ein Wachstum von zwei, drei Prozent, das verteilt werden könne. Doch gerade in der Pharmabranche sei die Entwicklung nicht immer linear. „Wenn wir einen neuen Impfstoff auf den Markt bringen, dann kostet uns dies viele Millionen Euro. Doch erst nach jahrelanger Entwicklung bis zur Marktreife und nach einem erfolgreichen Absatz im Markt können sich diese Investitionen auszahlen“, argumentierte Pfirmann. Zu diesem Verlauf passe keine Regelung mit jährlich festen Tariferhöhungen.

Dass ein Flächentarif mit jährlich festen Erhöhungen das Unternehmen in ein zu enges Korsett zwinge, bestreitet Feßer. Da er solche Stellschrauben wie Kurzarbeit oder Lohnabsenkungen enthalte, biete ein derartiger Vertrag „bereits alle Möglichkeiten der Flexibilisierung“. Ausschläge nach oben und unten ließen sich somit ausgleichen. Ein Haustarif könne an dieser Stelle „nur schlechter sein“. Dann bestimme allein der Arbeitgeber, wo die Messlatte zu liegen hat. Und wenn er eben meine, dass das Unternehmensergebnis keine Lohnsteigerung erlaube, werde die Lücke zur Inflationsrate immer größer.

Belegschaftsversammlungen

Für den Betriebsratschef wird die Absurdität des Austritts vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Sachsen-Anhalt „und ganz besonders im Raum Dessau-Roßlau“ am deutlichsten. Günther Feßer macht auf einen aus seiner Warte eklatanten Widerspruch aufmerksam. Einerseits werbe Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) unentwegt dafür, dass die Abwanderung der Menschen aus dem Land sich verringert.

Dabei scheue der Wittenberger auch keine Mühen, potenzielle Zuzügler zu motivieren, indem er auf attraktive Arbeitsangebote verweist. Andererseits bewirke der Arbeitgeber der IDT-Beschäftigten mit dem geplanten Umstieg auf einen Haustarif genau das Gegenteil.

Der 15-köpfige Betriebsrat hat inzwischen seine Argumente auf mehreren kurzfristig angesetzten Belegschaftsversammlungen vorgestellt. „Das Interesse unter den gut 600 Anwesenden war enorm. Wir sind auf breite Zustimmung seitens der Beschäftigten gestoßen“, schätzt Günther Feßer ein. Erklärtes Ziel sei der Verbleib im Flächentarif.

„Alles andere wäre ein grober Fehler, der dem Image der Firma schadet und die Attraktivität verringert. Flächentarife sind Zugpferde für Menschen, die Arbeit suchen. Das darf im Osten Deutschlands und speziell im Raum Dessau-Roßlau niemand ignorieren“, so der Betriebsratsvorsitzende. Schließlich seien in der Vergangenheit viele Mitarbeiter nur deshalb zu IDT Biologika gewechselt, weil dort laut Flächentarifvertrag bezahlt wurde.

Der Betriebsrat hat gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach betont, dass er die Rücknahme des Tarif-ausstiegs erwartet. „Wenn das nicht passiert, haben in der Folge die Gewerkschaft und die im Betrieb beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder das Sagen. Welche Maßnahmen sich daraus ergeben, hängt vom nächsten Schritt des Arbeitgebers ab“, erklärt Feßer. (mz)