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Grünen-Kandidatin zur Bundestagswahl Grünen-Kandidatin zur Bundestagswahl: Steffi Lemke will wieder ins Parlament

29.08.2017, 08:28
Mit dem Luisium in Dessau verbindet Steffi Lemke nur gute Erinnerungen.
Mit dem Luisium in Dessau verbindet Steffi Lemke nur gute Erinnerungen. Lutz Sebastian

Dessau - Mit zielstrebigem Schritt läuft Steffi Lemke durch das Luisium. An den Park im Nordosten Dessaus hat die Bundestagsabgeordnete der Grünen nur gute Erinnerungen. Hier recherchierte sie für ihr Studium der Agrarwissenschaft zu extensiv bewirtschafteten Flächen im Biosphärenreservat Mittlere Elbe. Hier schob sie den Kinderwagen über Parkwege und ließ ihren Sohn über sattgrüne Wiesen krabbeln. Hier, meint sie, sei ein guter Ort für ein Gespräch über ihre Kandidatur zur Bundestagswahl 2017 und traf sich mit MZ-Redakteurin Silvia Bürkmann.

Steffi Lemke ist gebürtige Dessauerin, 49 Jahre, und wohnt bis heute in Dessau-Nord. Sie lebt in einer festen Beziehung, ihr Sohn (20) studiert Ökologische Systeme. Die Wurzeln ihres politischen Werdegangs sind begründet in der Umwelt- und Friedensbewegung der DDR. Ein erster Antrieb war die bis Ende der 1980er Jahre „stinkende und schäumende Kloake Mulde“ direkt vor der Haustür. Steffi Lemke gehörte 1990 zu den Mitbegründern der Grünen Partei in der DDR. Den Flüssen ihrer Heimat fühlt sie sich bis heute ganz nah. Privat als begeisterte Kanu-Sportlerin, als Politikerin im Kampf um den Erhalt des frei fließenden Flusses Elbe.

Frau Lemke, Sie sind 49 Jahre und im Bundestag fast ein alter Hase. Wie fühlt man sich da?

Lemke: Die Zeiten ändern sich: Als ich 1994 mit 26 als jüngste Frau in den Plenarsaal in Bonn einzog, war das vielleicht etwas Besonderes, heute gibt es mehr jüngere Abgeordnete.

Meine bundespolitische Laufbahn bei den Grünen ist lang, lief aber nicht strikt in einer Spur: Von 1994 bis 2002 war ich gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages, zuerst in der Opposition unter Kanzler Kohl, ab 1998 dann bei der rot-grünen Regierungskoalition mit dem ersten Kabinett von Schröder.

Danach war ich bis 2013 bundespolitische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen.

Für dieses Amt ist das eine sehr lange Zeit ...

.. stimmt. Und die Mitarbeiter in meinem Berliner Büro haben schon lachend die Wochen gezählt, ob ich Spitzenreiter Heiner Geißler entthronen wolle, der zwölf Jahre als CDU-Generalsekretär wirkte.

Die elf Jahre, die ich diese Rolle bei den Grünen ausfüllen durfte, waren eine tolle Zeit. In einer Parteizentrale den Laden bundesweit zu organisieren und in guten wie in Krisenzeiten am Laufen zu halten, ist sehr anspruchsvoll. Ich habe auf Bundes- und Landesebene Wahlkämpfe verantwortet und denke, das ganz gut gemacht zu haben: 2012 waren die Grünen in allen Landesparlamenten. 2009 holten wir zur Bundestagswahl mit 10,7 Prozent das bisher beste Ergebnis.

Seit 2005 sind die Grünen nicht mehr in der Regierung. „Opposition ist Mist!“ - der Aphorismus von SPD-Urgestein Franz Müntefering wurde zum Klassiker im Politikbetrieb. Teilen Sie die Meinung?

Nein. Denn wer regiert, muss sich der Kritik derjenigen stellen, die nicht regieren. Ohne Opposition hängt die ganze Demokratie in der Luft. Parlamentarische Opposition schaut Regierung und Ministerien auf die Finger, sorgt für mehr Transparenz, Information und weniger Vertuschung. Das war so beim Untersuchungsausschuss für NSA und NSU und aktuell im Dieselskandal. In welchem Maß darin zum Beispiel das Kraftfahrzeugbundesamt verstrickt ist und der Verkehrsminister: Die Bundesregierung hat toleriert, dass die Bürger und Verbraucher belogen worden sind. Die Opposition war an der Aufdeckung beteiligt.

Nur ist in Großen Koalitionen die Opposition viel zu klein. Und das verändert das Gesicht unserer Gesellschaft. Nicht zum Guten.

Wie meinen Sie das?

Aufbegehren gegen Auslandseinsätze in Kriegsgebieten und Milliardenausgaben für Rüstung, Eintreten für den Atomausstieg - das hatte die Bevölkerung vor 15 Jahren auf die Agenda der Bundesrepublik gesetzt. In ihren zwölf Jahren Regierung hat Frau Merkel die Menschen so gut wie „eingeschläfert“. Frau Merkel blendet die drängenden Fragen der Zeit aus und versucht, sie unter dem Wohlstands-Deckmantel zu verstecken: Der Mehrheit geht es gut - also soll alles so bleiben.

Weiter so“ geht nicht für Sie?

Das geht für uns alle nicht. Ich halte die Klimakrise und das Artensterben für die größten Bedrohungen unserer Zeit, die auch ganz direkt mit Gerechtigkeit, sozialem Ausgleich und Frieden zusammenhängen. Viele der gegenwärtigen Kriege und Klimaveränderungen vertreiben immer mehr Menschen aus ihrer Heimat.

Welche Rolle spielt der Wahlkreis für Bundespolitiker?

Ich wohne bis heute in Dessau. Diese Bodenhaftung ist für Politiker ganz wichtig, hier sehen sie, wie Bundespolitik in einer globalisierten Welt auf die Menschen vor Ort wirkt. Sie erleben, dass in den Wäldern 80 Prozent der Kiefern krank sind und wie hart Landwirte um ihr Einkommen ringen. Gehäufte Extremwetterlagen - das ist für mich nicht Wetter, sondern Klimakrise.

(mz)