Grabräuber-Unwesen in Dessau Grabräuber-Unwesen in Dessau: Diebe plündern Grabschmuck und Blumen vom Friedhof

Dessau - Am Ostersonntag noch hatte Birgit Salger das Familiengrab auf dem Friedhof III im Süden der Stadt mit drei großen, blühenden Tulpensträußen geschmückt. Am Dienstag darauf waren die Blumen verschwunden.
Dieser Diebstahl ist der bisher letzte in einer Serie regelmäßiger Grabplünderungen, die Frau Salger seit anderthalb Jahren beobachtet. „Seit Dezember 2018 werden in wöchentlichem Abstand Pflanzen und frische Blumen vom Grab gestohlen“, sagt die 66-Jährige fassungslos.
Salger, 1952 in Dessau geboren, stammt aus einer alteingesessenen Familie, die seit den 1930er Jahren ein Familiengrab für all ihre Mitglieder besitzt. Birgit Salger verließ ihre Heimatstadt 1972 mit der Ausbildung und lebt jetzt in Nuthetal bei Potsdam. Die Grabpflege liegt bereits seit 1987 in den Händen der Friedhofsgärtnerei Dockendorf vom Zentralfriedhof in Großkühnau, die bis heute die letzte Ruhestädte der Salgers in Süd betreut.
Im Frühjahr 2018 machte viel Tierfraß den Grabbesitzern rundum zu schaffen
Von den Nachkommen wurde das Grab regelmäßig zu Geburts- und Todestagen besucht, aber naturgemäß in größeren Abständen. Bis 2017 ist ihnen deshalb auch nichts aufgefallen. Nachdem Birgit Salger aber vor anderthalb Jahren ihren Sohn viel zu früh im Alter von nur 30 Jahren beerdigen musste, veränderte sich dieses Intervall massiv. Seither kommt die verwaiste Mutter jede Woche wieder nach Dessau, mit neuen Blumen und Pflanzen für das Grab. Und sieht genau die jeweiligen Veränderungen.
Im Frühjahr 2018 machte viel Tierfraß den Grabbesitzern rundum zu schaffen. Gerade der Friedhof III wurde regelmäßig von hungrigen Rehen besucht, die die neu angepflanzten Stiefmütterchen oder Primeln wegknabberten. „Das ist eben natürlich, und da kann man auch was dagegen tun“, zuckt Salger die Schultern. Und sie besprach sich mit ihren Friedhofsgärtnern und reduzierte die Blumenfläche auf dem Familiengrab rigoros. „Da kam jetzt Efeu drauf. Und bei den Blumen wurden es Christrosen und Maiglöckchen.“ Die nämlich seien giftig und die Tiere nicht dumm.
„Christrosen akkurat mit der Gartenschaufel ausgegraben und mitgenommen“
Die Rehe rümpften tatsächlich die Näschen und liefen fortan vorbei. Nicht aber die zweibeinigen Diebe. „Im November und Dezember 2018 wurden die Christrosen akkurat mit der Gartenschaufel ausgegraben und mitgenommen.“ Im Frühjahr 2019 dann stellte Salger ihrem Sohn, ihren Eltern und ihrer Schwester drei große, bepflanzte Terrakotta-Schalen ans Grab. „Die wurden gleich komplett mitgenommen“, musste die empörte Mutter und Tochter bei ihrem nächsten Sonntagsbesuch feststellen.
Salger hat bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt gestellt. Dies ist nach Aussage der Stadtverwaltung auch die einzige Möglichkeit, sich zu wehren. Auch Stadt und Friedhofsverwaltung sind verärgert über das Unwesen, was Grabräuber und -plünderer in Dessau-Roßlau treiben. „Diese unanständigen Vorfälle sind häufiger zu beobachten. Sie passieren in allen Einrichtungen, im Wortsinn querbeet“, sagt Stadtsprecher Carsten Sauer. Genaue Statistiken oder Hinweise auf ganz gezielte Angriffe auf bestimmte Gräber aber gibt es nicht.
Birgit Salger sieht nur wenig Chancen auf Erfolg
Birgit Salger nun ist nicht blauäugig. Sie weiß auch, dass es viele Betroffene gibt und wie im Kampf gegen die Windmühlenflügel wenig Chancen auf Erfolg. Obwohl sie oft tief ins Portemonnaie greift für Blumen und Pflanzen, geht es ihr vordringlich nicht mal ums Geld.
„Aber ich muss jetzt meinem Herzen Luft machen. Das kann man doch nicht einfach still hinnehmen. Von Gräbern zu klauen, ist doch das Allerletzte.“ Von Pietät bleibt da keine Spur. „Aber wenn keiner etwas sagt, wird eine Gemeinheit stillschweigend geduldet und erscheint sie irgendwann als Normalität. Und ich finde, das darf nicht sein.“ (mz)