Glück der Gäste ist der Wirtin Glück
DESSAU/MZ. - An sich dachte die Frau da am wenigsten. Obwohl sie allen Grund dazu hätte: Brigitte Schulze, die Wirtin vom Brauhaus "Zum Alten Dessauer" und vom "Ratskeller", feierte am Sonntag ihren 65. Geburtstag.
Gefeiert hat sie ihren Ehrentag, wie kann es anders sein, in einer ihrer Wirkungsstätten. In das Brauhaus hatte sie am Sonntag all die Gratulanten geladen. Und am Montag wird sie dort mit den vielen Weggefährten ihrer Arbeit in der Gastronomie über vergangene Zeiten plaudern. "Das wird ein schöner Abend", freut sie sich schon auf das Wiedersehen. Im Laufe der Jahrzehnte ist eine stattliche Anzahl Kollegen zusammengekommen, denn Brigitte Schulze war an etlichen Stationen des Dessauer Handels und der Dessauer Gastronomie tätig.
Die Frau aus der Altmark sagt selbst: "Ich bin im Dienstleistungsgewerbe groß geworden". Dort zu arbeiten war für die Tochter aus einer Bäcker- und Konditorenfamilie schon als Mädchen klar. Ein älterer Bruder übernahm den elterlichen Betrieb, Brigitte Schulze zog es hinter den Verkaufstresen. 1965 war das in Dessau, in einer kleinen Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft in der Wilhelm-Müller-Straße. Wenige Monate später leitete sie den Laden, in dem sich heute eine Gaststätte befindet. Sie drückte noch einmal die Schulbank, wurde Verkaufsstellenprüferin und Handelskauffrau; dann, 1972, übernahm sie mit ihrem Ehemann Jürgen die Klubgaststätte in Mildensee. Seitdem ließ die Gastronomie sie nicht mehr los. "Wer einmal reingerochen hat, kommt nicht mehr von ihr los", sagt Brigitte Schulze aus Überzeugung. Und sie ist das beste Beispiel dafür.
Zwar unternahm Schulze 1977 noch einmal einen Ausflug in den Handel und wurde stellvertretende Kaufhallenleiterin in Dessau-Süd, das Gaststättengewerbe aber sollte sie bald wieder haben: 1982 übernahm sie gemeinsam mit ihrem Mann als Gaststättenleiter den Kristallpalast und führt ihn die folgenden neun Jahre. Eine "aufregende und interessante Zeit" nennt die Wirtin jene Jahre bis zur Schließung des großen Veranstaltungshauses. An die letzte Veranstaltung erinnert sie sich noch gut. Es war ein Vergnügen der PGH "Ihr Friseur". Ein Jahr später, am 30. April 1991, habe sie den Saal abgeschlossen. Eine seitdem in Dessau von vielen schmerzlich vermisste Feierkultur ging zu Ende.
Die Wochenenden in der Stadt wurden stiller, die großen Betriebe, die dort ihre Feiern ausrichteten, gab es nicht mehr. "Wir hatten damals ja an allen Feiertagen Tanz, es gab den Rudererball, den Neuererball von ZAB, das Vergnügen der Kammer der Technik, allein Gelb-Rot hatte jede Session 20 Veranstaltungen", zählt Brigitte Schulze auf. Bis zu 650 Leute waren da immer im Saal, vor allem an den Wochenenden sorgte sich ein großes Team, zu dem allein zwölf Pauschalkellner gehörten, um die Gäste. Der Merseburger Ratskeller war eine kurze Zwischenstation, bevor die Schulzes ab 1992 eine Aufgabe übernahmen, die sie prägte: Sie führten fortan die "Dessauer Bierstuben". "Das war eine spannende Zeit. Es war genial, mit der Fülle neuer Produkte zu arbeiten", sagt Brigitte Schulze rückblickend und nennt diese Jahre eine "wichtige Entwicklungsphase". Diese Erfahrungen waren gleichermaßen nützlich, als das Paar ab 2001 in das Brauhaus umzog und später auch den Ratskeller führte. Ein ganz neu gebautes Gasthaus galt es künftig zu bewirtschaften, vom Keller in den Bierstuben ging es geradezu in die Luft mit den mehreren Etagen des Brauhauses.
Das ist längst zu einer Instanz in der Stadt geworden und manch einer kann sich Brauhaus als auch Ratskeller ohne Brigitte Schulze gar nicht vorstellen. Einen abrupten Wechsel in das Rentnerdasein hat die Wirtin auch nicht vor. "Ich werde meine Stundenzahl reduzieren und bin nach wie vor für die Gäste da", sagt sie. Diese glücklich zu machen, sei immer ihr Ziel gewesen. "Man gibt viel und bekommt auch viel zurück." So soll es noch einige Zeit für Brigitte Schulze sein. Ehemann Jürgen kümmert sich derweil um den Garten. "Er pflegt ihn, und ich darf mich dort ausruhen." Nach einem harten Tag in der Gaststätte hat sie sich dies auf jeden Fall verdient.