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Geschichte(n) aus Sankt Georg

Von Annette Gens 14.05.2006, 16:06

Dessau/MZ. - Schon Stunden später wusste es Gerd Fredenhagen besser. Der erste Gottesdienst in der wieder errichteten Georgenkirche fand am Heiligen Abend des Jahres 1965 statt. "Es war ein Gottesdienst fünf Minuten vor Toresschluss und ohne Bauabnahme", sagt heute Gerd Fredenhagen, der die Aufbauarbeiten der Georgenkirche aus nächster Nähe verfolgte. Vater Hans Fredenhagen hatte als damaliger Pfarrer der Georgengemeinde maßgeblichen Anteil daran.

Als am Wochenende an die Wiederindienstnahme der Georgenkirche vor 40 Jahren erinnert wurde, saß auch Gerd Fredenhagen mit Familie an der festlich gedeckten Kaffeetafel im Gemeinde- und Diakoniezentrum St. Georg. Der 52-Jährige Chemiker lebt heute in Mainz. Die Feierlichkeiten in der Georgenkirche waren ihm nicht nur Anlass, in die Heimat zu kommen. Im Vorfeld hatte er in alten Aufzeichnungen aus dem Nachlass des Vaters geblättert und Fotoalben bemüht. Im Ergebnis stellte er in einer Power-Point-Vorführung eine ganz persönliche Sicht auf die Geschichte des Wiederaufbaus der Georgenkirche vor.

Mit Gottesdienst, Konzerten, einer Ausstellung und nicht zuletzt mit einer gemütlichen Kaffeerunde, zu der die Gemeinde Gäste aus Aachen wie aus dem niederländischen Eefde begrüßte, erinnerte die Georgengemeinde am Sonnabend und Sonntag an ihre Geschichte. Aus einer kleinen "Kapelle zum Sychen" aus dem Jahre 1402 wurde 50 Jahre später eine kleine gotische Kirche mit Dachreiter in Dessaus Sandvorstadt. Ab 1581 wurde an dieser Stelle die Hospital-Kirche errichtet. Rund 140 Jahre ( 1712 bis 1717) später entstand ein holländisch-barocker Bau mit Westturm, der 1821 mit einem klassizistischen Anbau des Baumeisters Carlo Ignazio Pozzi ergänzt wurde.

Die Kirche - eine der ältesten in Dessau - war beim Bombenangriff am 7. März 1945 bis auf die Grundmauern abgebrannt. Monate zuvor war in der Ferdinand-von-Schill-Straße das Gemeindehaus bei einem Bombenangriff vernichtet worden. Von diesen Verlusten schwer getroffen, hatte die Kirchengemeinde St. Georg nie aufgegeben.

"Es war keine Selbstverständlichkeit, dass die Kirche wieder aufgebaut wurde", erinnerte Pfarrer Hans-Justus Strümpfel an die Zeit nach dem Kriegsende. Dessaus Bebauungsplan aus dem Jahre 1958 sah an dieser Stelle, wo die Ruine aus dem Erdboden klaffte, den Bau eines Hochhauses vor. Es war ein harter und beharrlicher Kampf, den die Anhaltische Landeskirche und Pfarrer Hans Fredenhagen damals führten, bis der damalige Rat des Bezirkes Halle im Jahre 1961 die Genehmigung für den Wiederaufbau erteilte. Fünf Jahre später sollte die Gemeinde aus ihrem provisorisch eingerichteten Saal im Gemeindehaus zum Gottesdienst wieder in die Kirche ziehen.

Eine Ausstellung von Gemeindeglied Roland Heckel erinnert an die Geschichte der Georgengemeinde. Gezeigt werden nicht nur historische Fotos, sondern vor allem ein lebendiges Gemeindeleben aus fünf Jahrzehnten. Diese Ausstellung, die sich im Erdgeschoss des Gemeinde- und Diakoniezentrums befindet, kann täglich besichtigt werden.