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Geschichte Geschichte: Minderheiten auf der Spur

Von Danny Gitter 24.08.2012, 17:03

dessau-rosslau/MZ. - In Indien waren sie. In den USA. Selbst das Kap der Guten Hoffnung und Australien waren nicht zu weit, um Geschäfte anzubahnen, zu forschen oder weit weg von der Heimat sich eine neue Existenz aufzubauen. So klein die Fürstentümer Anhalts in ihrer Fläche auch waren, um so vernetzter waren die Bewohner in der großen weiten Welt. Die derzeitige Ausstellung "Anhalt International" in der Marienkirche und im Johannbau legt Zeugnis davon ab.

Die Welt kam auch nach Anhalt

Doch Anhalter gingen nicht nur in die Welt. Die Welt kam auch nach Anhalt. Das beruhte nicht immer auf Gegenseitigkeit und Toleranz. In ihren begleitenden Vorträgen zur Ausstellung beleuchteten am Donnerstagabend Ralf Regener und Andreas Erb im Landeshauptarchiv das Schicksal von zwei Minderheiten in Anhalt, den Zigeunern und den Beutetürken.

"Angefangen hat alles mit einem Seminar über Randgruppen", schildert Regener den Werdegang seines Vortrags über "Zigeuner in Anhalt. Ihr Bild in Gesetzen und Verordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts". Geschichte in Magdeburg hat der Nedlitzer studiert und vor kurzem seine Magisterarbeit eingereicht. Regener hatte bereits einen Artikel über Zigeuner veröffentlicht. Da das Jubiläum "Anhalt 800" bis in die Landeshauptstadt vordrang, widmete er sich der Minderheit im Kontext der ehemaligen Fürstentümer.

"Ich habe viele Stereotype gegenüber Zigeunern in den Verordnungen bestätigt gesehen", sagt Regener. Es wird vermutet, dass sie ursprünglich aus einer Provinz in Indien kamen, eine Weile im osmanischen Reich siedelten und von dort immer weiter gen Westen getrieben wurden.

Vielleicht erklärt das ihr Nomadentum. Den anhaltischen Fürsten und auch deren Bevölkerung war das zu unheimlich. "Vorbeugend" wurden Zigeuner in den Verordnungen und Gesetzen der vier anhaltischen Fürstentümer mit "räuberischem Gesindel, Vagabunden und Quacksalbern" gleichgesetzt. "Die verbreitete Lebensform dieser ethnischen Minderheit sahen damalige Staaten als Bedrohung an", kommentiert der angehende Historiker. In vielen Gesetzen und Verordnungen wurden Zigeuner zu "unerwünschten Personen" erklärt, die "ausgewiesen gehören oder möglichst erst gar nicht einreisen sollen".

Ähnlich erging es auch dem Beutetürken Balthasar am Dessauer Hof. Um 1683 wurde er als "Beute" aus den Feldzügen gegen das osmanische Reich nach Dessau gebracht. Heimisch wurde er, dessen Name und Herkunft bis heute ungewiss sind, kaum. Messerstechereien, Gefängnisaufenthalte und Gelegenheitsarbeiten sind in der Akte dokumentiert, die noch heute im Landeshauptarchiv existiert.

Zufälliger Aktenfund

Durch Zufall sei er bei der Bestandsaufnahme darauf gestoßen, so Erb, der Leiter der Abteilung Dessau des Landeshauptarchivs. Die ist eher ein unvollständiges Puzzle als ein komplettes Mosaik. Erkenntnisse liefert dieser Fall trotzdem. "Es ist ein sehr interessanter Einzelfall, der viel über den Umgang der damaligen Gesellschaft mit ihren unfreiwilligen Einwohnern zeigt", so Erb. "Je mehr Details man über eine Gruppe weiß, desto mehr kann es die Sicht ändern." Das war die vielleicht wichtigste Erkenntnis des Abends.