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Geschäft mit dem Tod? Geschäft mit dem Tod?: Wenn zur Trauer einer Dessauerin der Ärger über Bestattungsunternehmen kommt

Von Sylke Kaufhold 20.07.2019, 07:00
Die Urnengemeinschaftsanlage auf dem Zentralfriedhof in Kleinkühnau.
Die Urnengemeinschaftsanlage auf dem Zentralfriedhof in Kleinkühnau. Thomas Ruttke

Dessau - Der Tod ihres Mannes kam für Hannelore Mitschke (Name geändert) plötzlich. Auch wenn Johann seine letzten Lebensmonate in einem Pflegeheim verbracht hatte, weil er dement war und im Rollstuhl saß, hatte sie nicht damit gerechnet, ihn so schnell zu verlieren.

„Wir hatten alles vorbereitet, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, nur mit der Beerdigung hatte ich mich noch nicht beschäftigt“, blickt die 84-jährige Witwe auf den Schicksalschlag zurück. „Und das hat uns viel Ärger eingebracht.“

Ihr Johann hat inzwischen seine letzte Ruhestätte gefunden. Sie hat Abschied genommen von ihrem Mann, mit dem sie 60 Jahre verheiratet war. „Aber den Ärger, den wir vorher hatten, möchte ich anderen ersparen“, erklärt sie ihren Gang in die Öffentlichkeit. Hannelore Mitschke fühlt sich von ihrem Beerdigungsinstitut über den Tisch gezogen.

„Ich hatte vorher kein Beerdigungsinstitut festgelegt“, erzählt die Seniorin. Deshalb habe sie im Heim dann schnell eines benennen sollen. Zu schnell?

„Um vier starb mein Mann, um 11.30 Uhr saß ich mit meiner Tochter in dem Bestattungsunternehmen“

Die Volkssolidarität 92 habe für die Verfahrensweise bei Todesfällen ihrer Bewohner einheitliche Richtlinien, heißt es auf MZ-Anfrage. „Bei Einzug in unser Pflegeheim oder in das Betreute Wohnen legen die Angehörigen unserer Bewohner selbst fest, welches Bestattungsunternehmen im Falle eines Todes zu kontaktieren ist“, teilt Daniela Bauer vom geschäftsführenden Vorstand mit und betont: „Empfehlungen werden von uns grundsätzlich nicht ausgesprochen“.

Das Beerdigungsinstitut - Mitschke hatte sich für das diensthabende entschieden - habe dann unheimlich auf Zeit gedrängt, erinnert sich die Witwe. „Um vier starb mein Mann, um 11.30 Uhr saß ich mit meiner Tochter in dem Bestattungsunternehmen und habe den Vertrag gemacht.“ Bei der Besprechung der Bestattungsdetails fühlte sie sich unter Druck gesetzt. „Es wurde uns vieles aufgeschwatzt, was gar nicht nötig war und viel Geld kostete.“ Ihre Einwände, dass sie das nicht wolle, seien abgebügelt worden. „Das ist bei uns so“, war die Standardantwort.

Ein Widerrufsrecht gilt nur, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wird

Hannelore Mitschke unterschrieb den Vertrag in den Räumen des Unternehmens. Ein folgenschwerer Fehler, wie die 84-Jährige jetzt weiß. Denn ein Widerrufsrecht gelte nur, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen werde, erklärt Simone Meisel, Sprecherin der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. In der Regel würden die Absprachen mit den Bestattungsunternehmen in der Wohnung der Hinterbliebenen erfolgen.

Ihr ungutes Bauchgefühl bestätigten Mitschke im Nachhinein Recherchen und viele Gespräche mit Bekannten. „Du bist übers Ohr gehauen worden, warum hast du denn so schnell unterschrieben?“, wurde die Rentnerin gefragt und weiß nun: „Ich hätte mir wirklich mehr Zeit nehmen sollen und kann nur jedem raten, sich vorher zu überlegen, was man möchte und sich davon nicht abbringen zu lassen.“

Simone Meisel unterstreicht das. „Das ist ganz wichtig. Da sollte auch keiner falsche Scham haben, wenn man nicht das Teuerste für seinen Verstorbenen auswählt.“ Am besten sei es, wenn auch das im Vorfeld festgelegt wird. „Dann ist der Wille des Verstorbenen Maßgabe.“ Auch eine persönliche Kostengrenze könne helfen, das Leistungspaket preislich nicht ausufern zu lassen.

Für Bestattungen gibt es keine preislichen Richtlinien

Das, was Hannelore Mitschke passiert ist, komme häufig vor. „Aber kaum einer redet darüber“, weiß die Verbraucherschützerin. Dabei lauerten hier etliche Fallstricke. Denn für Bestattungen gibt es keine preislichen Richtlinien. „Jedes Unternehmen legt seine Preise selbst fest. Grenzen nach oben gibt es keine“, betont Simone Meisel. Auch Preisvergleiche im Internet seien kaum möglich. Denn die meisten Unternehmen machen keinerlei Angaben dazu auf ihren Internetseiten.

Es sei individuell sehr unterschiedlich, da es viele Auswahlmöglichkeiten gibt, heißt es zur Begründung. „Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld damit zu beschäftigen“, rät Meisel. Und: Man sollte unbedingt die Gesamtkosten des Trauerfalls ermitteln. Denn zu den Bestattungskosten seien die Kosten für Kleidung, Trauerfeier, Kranz sowie die kommunalen Friedhofsgebühren hinzuzurechnen. Diese sind an die Stadt zu zahlen und in der Friedhofsgebührensatzung festgelegt. Für Dessau-Roßlau wurde diese zuletzt zum 1. Januar 2017 geändert und angepasst.

„Es ist leider so, dass auch mit dem Tod Geschäft gemacht wird“

Die Leistung eines Bestattungsunternehmens sei - ohne Emotionen betrachtet - eine normale Dienstleistung, macht die Verbraucherschützerin deutlich. „Wie bei jedem Handwerk wäre es deshalb sinnvoll, Kostenvoranschläge einzuholen und dann die einzelnen Unternehmen zu vergleichen.“ Das mache man am besten, bevor es einen Todesfall gibt.

„Dann ist gewährleistet, dass das emotionsfrei passiert.“ Meisel weiß aber, dass dies die wenigsten machen. Sie rät deshalb, für die Absprachen beim Bestatter eine Vertrauensperson mitzunehmen, die etwas Abstand zum Trauerfall hat. „Denn es ist leider so, dass auch mit dem Tod Geschäft gemacht wird.“ Und wie in jeder Branche gebe es auch bei den Bestattern schwarze Schafe, die die emotionale Notlage der Trauernden ausnutzen.

Knapp 3.000 Bestatterunternehmen gibt es in Deutschland

Hannelore Mitschke hatte sich in ihrem Fall an die Bestatterinnung Sachsen-Anhalt gewandt. In der Hoffnung, dort Unterstützung zu finden. „Sie schrieben mir nett zurück, dass mein Unternehmen kein Innungsmitglied sei und sie deshalb gar nichts tun könnten.“ Seltsam ist: Die Internetseite der Innung zählt die Firma als „Premium-Partner der Innung“ auf.

Knapp 3.000 Bestatterunternehmen gibt es in Deutschland. Die Mitgliedschaft in der Innung ist keine Pflicht. „Aber auch keine Qualitätsgarantie“, weiß Meisel. Kunden, die Probleme mit einem Bestattungsunternehmen haben, empfiehlt sie die Schlichtungsstelle des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. „Dorthin kann sich jeder wenden.“ (mz)

Die Friedhofsgebühren wurden in Dessau-Roßlau zum 1. Januar 2017 turnusmäßig nach drei Jahren neu kalkuliert und um durchschnittlich 27 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Gebührenzeitraum angehoben. Begründet wurde dies unter anderem mit einem erhöhten Pflegeaufwand für die Stadt, da immer mehr Gräber aus unterschiedlichen Gründen von den Hinterbliebenen nicht mehr gepflegt würden.

Nach der jetzt gültigen Satzung liegen die Grabnutzungsgebühren für ein Erdreihengrab (Laufzeit 20 Jahre) bei 919,77 Euro, für eine Grabstätte in einer Urnengemeinschaftsanlage (Laufzeit 30 Jahre) bei 970,90 Euro.

Gebühren zu zahlen sind außerdem für die Nutzung der Feierhallen, für die Kühlraumbenutzung vor der Erdbestattung oder Einäscherung, eine Gebühr für die Einäscherung oder Erdbestattung sowie die Leistungen für die Beisetzung. Auch die Verlängerung oder Umschreibung von Nutzungsrechten kosten Gebühren.