Täter wurden wegen Mordes verurteilt Gedenken und Mahnung: Dessau-Roßlau erinnert an tot geprügelten Hans-Joachim Sbrzesny
Der wohnungslose Hans-Joachim Sbrzesny wurde am 1. August 2008 auf einer Parkbank am Dessauer Hauptbahnhof totgeprügelt. An seinem 16. Todestag legt die Stadtgesellschaft dort Blumen nieder.

Dessau/MZ. - Knapp 30 Menschen haben am Donnerstagnachmittag im Park vor dem Hauptbahnhof an den gewaltsamen Tod von Hans-Joachim Sbrzesny vor 16 Jahren erinnert. In der Nacht auf den 1. August 2008 schlief der wohnungslose Hallenser auf einer Parkbank vor dem Bahnhof und wurde von zwei Männern regelrecht zu Tode gefoltert. Beide waren vorbestraft und wurden wegen Mordes aus niedrigem Beweggrund verurteilt.
Oberbürgermeister Robert Reck: „Morde an Wohnungslosen sind auch das schreckliche Ergebnis dieser menschenverachtenden Ideologie“
Oberbürgermeister Robert Reck sagte in seiner Gedenkrede, man könne vermuten, dass der 50-jährige Sbrzesny von den Tätern als Obdachloser und damit minderwertig wahrgenommen wurde, den man quälen und sogar töten dürfe. „Morde an Wohnungslosen sind auch das schreckliche Ergebnis dieser menschenverachtenden Ideologie.“ Dass die Täter mit Nazisymbolen und rechtsextremer Musik sympathisierten, untermauert nach seiner Ansicht die These einer rechtsextremen Gewalttat.
Reck sagte, extremistisch motivierte Gewalt bedrohe die Gesellschaft. „Wir müssen uns gegen Ungerechtigkeit und Gewalt stellen, wenn wir sie sehen.“ Man müsse für andere eintreten, ihnen Schutz bieten, sich Diskriminierung entgegenstellen und für eine Gesellschaft einstehen, die auf gegenseitigem Respekt basiere.

Reck und andere Gäste der Gedenkfeier legten Kränze und Blumen an dem Gedenkstein unmittelbar neben dem Tatort nieder. Zu Beginn hatte die Geigerin Katharina Brandt das „Postludium“ des ukrainischen Musikers Valentin Silvester gespielt. Eingeladen hatte die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg.
In der offiziellen Statistik des Landes wird Hans-Joachim Sbrzesny nicht als Opfer rechtsextremer Gewalt geführt
Das Gericht konnte damals keine rechtsextreme Gesinnung als Tatmotiv erkennen, was in der Stadt für Aufsehen und Diskussionen sorgte. In der offiziellen Statistik des Landes wird Hans-Joachim Sbrzesny deshalb nicht als Opfer rechtsextremer Gewalt geführt.
Jenseits aller Motive zeigt ein Blick in die Statistik, dass keine klar abgrenzbare gesellschaftliche Gruppe in Deutschland so sehr durch Gewalttaten gefährdet ist wie die Wohnungslosen. Als ein Maß dafür kann man die sogenannte Tötungsrate heranziehen. Sie zeigt, wie viele Menschen auf 100.000 Opfer eines tödlichen Verbrechens werden, einerlei, ob sie infolge einer Körperverletzung sterben oder ermordet werden.
2022 veröffentlichte das Bundessozialministerium den ersten Bericht zur Obdach- und Wohnungslosigkeit. 262.000 Menschen verfügten demnach über keine eigene Wohnung. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe starben zwischen 1989 und 2022 pro Jahr durchschnittlich 26 wohnungslose Menschen durch Gewaltakte. Das ergibt eine Tötungsrate von fast zehn.
Zum Vergleich: Auf ganz Deutschland gerechnet liegt die Tötungsrate bei 0,8. In Nicaragua mit seinem hohen Gewaltpotenzial bei 11.