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Friedensschule in Dessau Friedensschule in Dessau: Mehr als nur Deutsch lernen

Von Heidi Thiemann 25.09.2015, 16:51
Der Kunstunterricht, wo gegenwärtig Herbstbäume aus Pappe, Perlen, Schnüren gebastelt werden, gehört ebenso wie Sport, Mathematik, Musik, Physik und Hauswirtschaft zu den zusätzlichen Angeboten für die internationalen Sprachschüler, die täglich vier Stunden in Deutsch unterrichtet werden.
Der Kunstunterricht, wo gegenwärtig Herbstbäume aus Pappe, Perlen, Schnüren gebastelt werden, gehört ebenso wie Sport, Mathematik, Musik, Physik und Hauswirtschaft zu den zusätzlichen Angeboten für die internationalen Sprachschüler, die täglich vier Stunden in Deutsch unterrichtet werden. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Welche Fächer ihm am meisten Spaß machen? Der 16-jährige Thien überlegt nur kurz.

Ein Schulfest feiert die Friedensschule zum Tag der offenen Tür am 8. Oktober von 11 bis 16 Uhr auf ihrem Schulgelände. Allen Besuchern, Schülern wie Gästen, wird an dem Tag die Schule in der Elballee 87 vorgestellt. Geplant sind viele Attraktionen wie Quadfahren, Hundestaffel, Hüpfburg, Bungee- Running, Geschicklichkeits-, Knobel- und viele Sportspiele. Für das leibliche Wohl sorgen die Schüler der 10. Klassen mit Süßem und Herzhaftem.

„Mathematik, Sport und Kunst“, erzählt der Jugendliche, der 2014 mit seiner Familie aus Vietnam nach Deutschland gekommen ist. Damals sprach er kein einziges Wort Deutsch. Ein Jahr lang besuchte er dann die Internationale Sprachklasse (ISK) in der Friedensschule. Jetzt geht er dort in die 9. Klasse, besucht die Kunst AG in der Schule, spielt Volleyball beim PSV 90. Aber viermal Training in der Woche schafft er nicht. „Ich muss noch viel lernen“, erzählt er und freut sich, dass er sich in der Friedensschule stets an Bobby Keller oder auch die anderen Lehrer wenden kann, wenn er Fragen hat.

Unterricht in der Fremdsprache Deutsch

Seit Januar 2014 werden in der Schule in der Elballee Mädchen und Jungen ab der 5. Klasse in der Fremdsprache Deutsch unterrichtet. Erst gab es eine Sprachgruppe mit bis zu zehn Schülern, mittlerweile gibt es zwei Sprachklassen mit 50 Schülern. Sie zu unterrichten, war Deutschlehrer Bobby Keller von Anfang an dabei.

„Macht mal“, hieß es aus dem Kultusministerium, Materialien oder Richtlinien gab es keine. Aber ein Team, das sich an der Friedensschule zusammenfand und gemeinsam ein System entwickelt hat, sagt Keller. Wie es laufen könnte mit den ISK, darüber hatten sich die Lehrer in Halle informiert, wo es neben Magdeburg die ersten Klassen in Sachsen-Anhalt gab, die Kinder aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien unterrichtet haben. Nicht nur ein Konzept, auch eigene Unterrichtsmaterialien, z.B. Lehrblätter, wurden an der Friedensschule entwickelt, ebenso Zeugnisse, mit denen die Sprachschüler und ihre Eltern über den Leistungsstand informiert werden. „Die Behörden hatten uns ins kalte Wasser geworfen. Wir hatten nichts“, sagt Kellers Kollegin Brigitte Wagner über die vollkommen neue Aufgabe. „Doch wir haben Glück, dass wir viele junge Kollegen haben, die sich hier sehr engagieren“, zieht sie den Hut. Alleine aus dem Kollegenkreis aber können die Lehrer der Friedensschule die Aufgabe nicht stemmen, sondern sind auf Abordnungen aus anderen Schulen angewiesen.

Die Schüler kommen aus verschiedensten Nationen, bringen unterschiedlichste Vorkenntnisse mit. Wer schon Englisch in der Schule hatte, kennt die lateinischen Buchstaben. Doch wer bisher nur arabisch gesprochen und geschrieben hat, muss mehr umdenken, auch, dass nun von links nach rechts geschrieben wird. Manch ein Schüler hat aber noch nie eine Schule besucht, was eine besondere Herausforderung ist.

Kinder stammen aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien

Jeder fünfte Schüler an der Friedensschule stammt aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien. Vorwiegend kommen sie aus Syrien, aber auch aus verschiedenen Balkanstaaten, Afghanistan, Russland, Vietnam, Griechenland, Somalia oder auch Indien, Pakistan, Iran und Irak. „Wir haben hier noch eine überschaubare Situation“, sagt Keller. Er wünscht sich aber eine Kontinuität von maximal drei ISK mit 60 Schülern an der Schule, „um eine qualitativ hohe Arbeit leisten zu können“. Doch das ist Theorie. In der Praxis gibt es einen ständigen Wechsel der Schüler - viele kommen im Schuljahr hinzu, andere bleiben plötzlich weg. Ob die Familien z.B. abgeschoben wurden, oder sich - wie im Fall einer iranischen Familie - im Kirchenasyl befinden, erfahren die Lehrer nicht.

Nicht nur Deutsch in Wort und Schrift wird an der Schule vermittelt, auch kulturelle Bildung, zudem Unterstützung zur Integration gegeben, verweist Wagner. Einen Schulsozialarbeiter oder eine Schulassistenten zur Unterstützung hat die Schule aber nicht.

Schüler sollen Regelklassen besuchen

Ziel ist es, dass die ISK-Schüler nach einem Jahr die Regelklasse besuchen können. Voraussetzung ist, dass sie die Sprachprüfung A1 und A2 bestehen. Neben intensivem Deutschunterricht von täglich vier Stunden wird den ausländischen Schülern auch Kunst, Sport oder Mathematik-Unterricht angeboten. Außerdem sind sie eingeladen, die Arbeitsgemeinschaften der Schule zu besuchen.

Einige der Schüler sind mittlerweile schon dauerhaft in den Regelunterricht an der Friedensschule integriert, andere besuchen nun das Gymnasium oder haben eine Berufsausbildung angefangen. „Wir haben zum Teil sehr wissbegierige Schüler“, sagt Keller und freut sich über deren Fortschritte. Rosarot, wehrt er ab, ist es freilich nicht an der Schule, aber auch nicht Schwarz-weiß. Probleme der Schüler untereinander gebe es hin und wieder, aber keine nennenswerten Vorfälle. Und: „Es gibt nichts, was deutsche Schüler nicht auch machen würden“, sagt er. (mz)

Deutschlehrer Bobby Keller hat wesentlich zum Konzept der Internationalen Sprachklasse (ISK) beigetragen. Der 16-jährige Thien gehört zu den ersten Schülern, die im Anschluss an die ISK nun die 9. Klasse besuchen.
Deutschlehrer Bobby Keller hat wesentlich zum Konzept der Internationalen Sprachklasse (ISK) beigetragen. Der 16-jährige Thien gehört zu den ersten Schülern, die im Anschluss an die ISK nun die 9. Klasse besuchen.
Lutz Sebastian Lizenz