Flut 2002 Flut 2002: Existenz der Baumschule Göricke stand auf dem Spiel

Dessau - „Das ist schon so lange her“, sagt Christian Göricke zum Jahrhunderthochwasser 2002. Mit jedem Jahrestag, so hofft der Juniorchef der Baumschule Göricke im Walderseer Birnbaumweg, verblassen die Erinnerungen daran immer mehr. Doch wenn er einmal beginnt davon zu erzählen, dann werden die Bilder von damals wieder sehr lebendig.
„Damit gerechnet, dass der Deich bricht, hat damals sicherlich niemand“, resümiert der 37-Jährige. Und dann ging doch alles viel zu schnell. Zum Sichern der Ware und der Maschinen blieb kaum Zeit. „Man sah nur noch das Wasser auf den Ort zuströmen und brachte sich mit dem Auto instinktiv in Sicherheit“, erzählt Göricke. Mit seinem Landschaftsarchitektur-Studium in Bernburg war er damals gut vorangekommen.
Das Jahrhunderthochwasser 2002 traf in der Stadt Dessau den Ortsteil Waldersee am stärksten. Am 13. August rief die Stadt Katastrophenalarm aus. Fünf Tage später, am Sonntag, dem 18. August, um 11.15 Uhr, brach bei einem Elbepegel von 7,14 Meter der Schwedenwall auf 70 Metern Länge und führte zur Überflutung des Ortes. Erst zehn Tage später ging das Wasser wieder zurück.
Prüfungen im Studium standen an
Noch ein Jahr sollte es bis zum Abschluss dauern. Im August 2002 büffelte er für wichtige Prüfungen auf dem Dreiseitenhof seiner Oma, die in Waldersee nicht weit weg vom Betriebsgelände der Baumschule seiner Eltern wohnte. Seine Mutter Gisela und sein Vater Rudolf haben auf dem Gelände des schon damals über 100-jährigen Traditionsbetriebs gerade ein neues Haus bezogen. Innerhalb weniger Stunden schien die Existenz komplett vernichtet.
Das Haus der Großmutter stand im Erdgeschoss mindestens einen Meter unter Wasser. Die Baumschule und das Elternhaus versanken zwei Meter tief in den Fluten. Eltern und Großmutter kamen bei Bekannten unter. Er fuhr zurück ins Bernburger Studentenwohnheim und verfolgte von dort aus tagelang am Fernseher die Katastrophe.
Es war schockierend
Nach zehn Tagen durften sie dann zurück in ihre Häuser und auf das Gelände der Baumschule. Es war schockierend, was sie da sahen. Alles war zerstört, in den Häusern der Hausrat, in der Baumschule die Technik und die Pflanzen. Tränen, Wut und Trotzhaltung, das alles kam in diesem Moment zusammen, erinnert sich der heute 37-Jährige.
„Einen kurzen Augenblick dachten meine Eltern beim Anblick dieser unendlichen Fülle an toten Pflanzen und der zerstörten Technik und Einrichtung vielleicht ans Aufgeben“, blickt Göricke zurück. Auf rund 600 000 Euro belief sich der wirtschaftliche Schaden. Doch schnell wurde klar, dass es weitergehen musste. Wegen der Tradition und vor allem auch durch die unendlich große Hilfsbereitschaft bei der Schadensbeseitigung.
„Verwandte opferten ihren Urlaub, um mit anzupacken. Aber auch wildfremde Menschen halfen, wo sie konnten“, erzählt Göricke. „Irgendwann“, so stellt er heute rückblickend fest „erfasste den ganzen Ort eine Aufbruchstimmung.“ Von Tag zu Tag wuchs die Zuversicht, wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Im elterlichen Betrieb dauerte das fast eineinhalb Jahre, schätzt der Juniorchef. Erst dann war auch der letzte Schaden beseitigt, den das Hochwasser 2002 in der Baumschule hinterlassen hat.
Einstieg ins Unternehmen
Bei ihm kehrte der Alltag sehr viel schneller wieder ein. „Durch das Studium in Bernburg hatte ich eine gewisse Distanz zu den Dingen“, resümiert Göricke. Ein Jahr nach dem Hochwasser schloss er sein Studium erfolgreich ab. Bevor Christian Göricke als Juniorchef 2010 ins elterliche Unternehmen einstieg, sammelte er noch Berufserfahrung bei einem regionalen Gartenbauunternehmen. Die Eltern geben Schritt für Schritt immer mehr Kompetenzen an den Junior ab. Mittlerweile können sie sich auch wie jetzt im Sommer eine kleine Auszeit vom Geschäft gönnen.
Nach dem Hochwasser 2002 ist die Baumschule erfolgreicher als je zuvor. Von Jahr zu Jahr wuchs die Ausstellungs- und Verkaufsfläche, auf mittlerweile 8000 Quadratmeter. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich auf acht verdoppelt. Auch wenn die Erinnerungen an das Hochwasser 2002 immer mehr verblassen, kann das Thema wie 2013 ganz plötzlich wieder auf der Agenda stehen. „Das war noch einmal ein kräftiges Zittern“, sagt Göricke. Doch die Katastrophe blieb da glücklicherweise aus. (mz)



