«Fidelen Kutscher Klause» «Fidelen Kutscher Klause»: Spezialität sind Drecksäcke und Pferdeäpfel
Pülzig/MZ. - Fast ein bisschen wehmütig sagt er: "Seit 15 Jahren haben wir die Gewerbegenehmigung. Und keiner hat''s gemerkt." Doch Trübsal zu blasen, ist die Sache des Wirtes nicht. Vielmehr geht ihm immer ein lockerer Spruch über die Lippen. "Am Tag muss gelacht werden, zum Heulen hab ich die ganze Nacht", kommt''s mit einem Augenzwinkern rüber.
Vor 15 Jahren also hat seine Frau Karin als Chefin die Pülziger Gaststätte in der Straße nach Nudersdorf übernommen. In Nudersdorf - übrigens in der Straße nach Pülzig - wohnte das Ehepaar mit seinen Zwillingen damals, und die Gaststätte "wollten wir nur ab und zu mal öffnen", erzählt Karin Ringlau. Doch aus "ab und zu" wurde täglich - außer donnerstags. "Da sind wir faul", sagt der Wirt. Ganz so faul doch nicht, denn dann werden die Arbeiten erledigt, die sonst liegen bleiben. Denn wie am Anfang - zu zweit - wird das Lokal betrieben. Karin Ringlau sorgt für den guten Geschmack in der Küche, und Roland Ringlau tischt alles auf.
Und das einfallsreich und fidel. Dass es in der Kutscher Klause ein Kutscherstübchen gibt, darf wohl als normal gelten, und auch, dass Pferdeporträts zum Interieur gehören wie altes Zaumzeug, das sich Ringlaus einst von Bauern besorgt hatten. Doch aus der Rolle fällt ganz gewiss die Speisekarte.
Die bietet nicht nur "Gebratene Pferdeäpfel", ein "Riechendes Fuhrmannsteak" und eine "Schippe Dreck", sondern auch das "Lieblingsfresschen des Kneipers". Was das ist? "Einfach mal probieren", lacht dieser. Und zum Durstlöschen empfiehlt er einen "Drecksack". Wo ihnen diese Namen einfallen? "Im Urlaub, da haben wir Zeit dafür", so Karin Ringlau.
Und noch eine Vorliebe haben die Wirtsleute: Die für Schnapszahlen. Die Küche arbeitet von 11.11 Uhr morgens bis 9.09 Uhr abends. Und als im Vorjahr die Pülziger ihre 777-Jahrfeier begingen, da war die Kneipe am "7.7. ab 7.77 Uhr auf - und alle Speisen gab''s natürlich für 7,77 Mark", sprudelt es aus dem Wirt nur so heraus.
Doch nicht nur auf der Speisekarte finden sich die Schnapszahlen, auch an den Zimmertüren von Ringlaus Pension. Wer einen Schlüssel ausgehändigt bekommt, zieht ins Zimmer 11, 22 oder 88 ein, was manchen Gast schon veranlasst hat zu fragen: "Wie viele Etagen haben Sie denn?" Dabei ist es nur eine - mit sechs Zweibett-Zimmern.
Klein, aber fein, und immer wieder mit neuen Ideen will das Fidele Kutscher-Klausen-Ehepaar ("zusammen sind wir 105 Jahre alt") die Gäste überraschen. Und manches ist schon zur Tradition geworden, wie das Sommerweihnachtsfest. Am 24. Juli wird der Tannenbaum geputzt, Ente mit Grünkohl aufgetischt, und holt der Weihnachtsmann die Geschenke aus dem Sack. Glühwein darf freilich auch nicht fehlen. Und wenn das Thermometer wie im Vorjahr 30 Grad anzeigt, dann gibt''s den Glühwein eben eisgekühlt...
Wie hat Ringlau anfangs gesagt? "Am Tag muss gelacht werden." Und so wird er auch nicht müde, noch immer einen drauf zu setzen. "Pülzig ist das Zentrum von Ostdeutschland", spricht er mit ernster Mine. "Eine Autostunde von Berlin entfernt, eine von Leipzig, dazu Wittenberg, Dessau und der Wörlitzer Park vor der Haustür", schiebt er plausibel hinterher.
Und einmal im Jahr ist Pülzig auf alle Fälle auch Pilgerort. Zu Himmelfahrt. 1 200 Gäste hat die Fidele Kutscher Klause in diesem Jahr gezählt. Pülzig immerhin hat nur 86 Einwohner...