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Fehlende grüne Vorgärten Fehlende grüne Vorgärten: Diskussion um Steinwüsten in Dessau - Kritik an der Kavalierstraße

Von Daniel Salpius 16.05.2019, 07:27
Für Insekten sind solche Vorgärten verlorenes Terrain.
Für Insekten sind solche Vorgärten verlorenes Terrain. dpa

Dessau-Rosslau - Beim Thema „Steingärten“ wird Dessaus oberster Kleingärtner Joachim Ullrich sofort fuchsig. „Das wollen wir nicht, da bin ich dagegen.“ Einen einzigen hat der Vorsitzende des Stadtverbands der Gartenfreunde Dessau in den Kleingartenanlagen der Stadt bislang entdeckt.

„Der muss weg“, habe er dem Pächter sofort gesagt. „Wir wollen Blumen, Gemüse und Obst - Lebensraum für Insekten.“ Ullrich ist für ein generelles Verbot von Steingärten. „Wir leben von der Natur, davon, dass Insekten da sind und Vögel. Wenn ich überall diese Steinwüsten habe, dann ist da ja nichts.“

Immer mehr Menschen kippen pflegeleichten Schotter in ihre Vorgärten

Immer mehr Menschen in Deutschland kippen Schotter in ihre Vorgärten, vor allem weil dies weniger Pflege bedarf als Grünflächen. Damit auch wirklich nichts wächst, wird unter dem Kiesbett oft eine Folie verlegt. Der Trend ist umstritten: So kritisiert etwa der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) auf seiner Webseite, dass gerade Vorgärten und kleine Grünflächen Lebensraum für Insekten und Vögel böten und daher wichtig seien für die Artenvielfalt. Diese Räume würden mit Steingärten jedoch verschwinden. Während Grünflächen überdies saubere, frische Luft lieferten, würden Steinflächen Wärme speichern und abstrahlen. Somit können Schottergärten auch das Stadtklima negativ beeinflussen.

Jan Paul, Vizepräsident im Bundesverband für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau, sieht das genauso und fordert: „Wenn wir die Biodiversität erhalten und für Nachhaltigkeit sorgen wollen, müssen Verbote erlassen werden.“ Paul leitet mit Galabau in Ziebigk einen Fachbetrieb für Garten- und Landschaftsbau. Die Firma baue selbst aber so gut wie keine Steingärten. Und wenn, dann ohne Folie und mit Stauden bepflanzt, so Paul. Seiner Erfahrung nach nimmt der Trend überhand. „Die Leute wollen zwar alle gerne Bienen schützen, nicht aber den eigenen Garten pflegen.“ Es fehle an Einsicht, deshalb müsse die Politik handeln.

Xanten in Nordrhein-Westfalen will Steingärten per Bebauungsplan verbieten

Erste Kommunen gehen diesen Weg bereits. Xanten (NRW) will beispielsweise Steingärten per Bebauungsplan verbieten, Bremen sie per Begrünungsgesetz abschaffen.

Und wie steht Dessau-Roßlau zum Thema? Zurzeit seien keine Maßnahmen gegen Steingärten vorgesehen, schreibt die Stadt auf MZ-Anfrage. Das Thema werde aktuell nicht als Problem wahrgenommen. Wenngleich die Verwaltung derartige Gestaltungen in der Stadt registriere. Negative Auswirkungen würden aber „aufgrund der insgesamt geringen Bebauungsdichte“ in der Stadt nicht erwartet.

Doch nicht nur private Vorgärten, auch Bauprojekte der Stadt werden kritisiert. „Die neue Kavalierstraße ist total zubetoniert. Klar, es wurden Bäume gepflanzt, aber wo sind die Blumen?“, fragt Kleingärtnerchef Ullrich. Nur vor McDonald's gebe es noch ein Beet. Den Marktplatz findet er ebenfalls trostlos.

Mehr Grün in der Innenstadt hält Jan Paul sogar für dringend notwendig. Nur so könne die Aufenthaltsqualität erhöht und die Stadt dadurch belebt werden. Der Unternehmer denkt dabei an den letzten Hitzesommer. „Die Fassaden heizen sich derart auf, dass sich Kavalierstraße und Marktplatz im Sommer nicht zum Verweilen eignen. Mit mehr Grünflächen können wir dieses Problem sehr leicht beheben.“ Die Begrünung von Fassaden etwa würde die Temperatur im Umfeld um bis zu drei bis vier Grad senken.

Stadt Dessau-Roßlau sieht aktuell keinen Handlungsbedarf

Die Stadt sieht hier aktuell keinen Handlungsbedarf. „Wir haben in Dessau-Roßlau kein Problem mit zu wenigen Grünflächen im städtischen Gebiet, allerdings mit Menschen, die nur total sauberes und gepflegtes Grün in der Stadt akzeptieren.“ (mz)