Familienzusammenführung Familienzusammenführung: Syrer in Dessau ohne Hoffnung

Dessau/MZ. - Hasso Malaks Gedanken drehen sich ständig um dasselbe: Wie geht es meiner Frau und den Kindern? Leben sie noch? Haben sie etwas zu essen? Malak ist ein ruhiger Mann mit einem freundlichen, schüchternen Lächeln und grauen Schläfen. Er ist 46-Jahre alt, sieht aber älter aus. Vielleicht liegt das daran, dass er in seinem Leben schon viel erlebt hat und daran, dass er große Angst hat - um seine Familie.
Hasso Malak ist Syrer. In seiner Heimat war er Landarbeiter. Vor drei Jahren aber ist er nach Deutschland geflüchtet - um ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. In Dessau wurde ihm Asyl gewährt, hauptsächlich weil er Kurde ist. In Syrien ist die Bevölkerungsgruppe, der etwa 500 000 Menschen angehören, nicht anerkannt. Kurden bekommen keinen syrischen Pass ausgestellt, sie gelten als staatenlos. In Deutschland kann Malak nun zwar unbehelligt leben, doch seine Frau und die vier Kinder sind noch immer in Syrien. Sie leben in einem Land, in dem seit zwei Jahren der Bürgerkrieg tobt und täglich Menschen sterben.
Wegen des Krieges können die Behörden Malak nicht nach Syrien abschieben. Doch seine Familie darf er nicht nach Deutschland holen. Die deutsche Botschaft im Libanon wiegelte ab: Es seien "keine humanitären Gründe" erkennbar, die den Familienzusammenschluss rechtfertigten. Dabei wurde auch in Malaks Heimatort Kamishly nahe der türkischen Grenze schon öfter geschossen, Bomben haben viele Häuser zerstört. Tausende Syrer haben ihr Land verlassen. Sie flüchten in den Irak, den Libanon, Jordanien oder die Türkei. Doch nach Deutschland dürfen sie nicht.
Etwa 35 Syrer leben in Dessau, darunter zehn Familien. Viele von ihnen wollen Verwandte aus dem Bürgerkrieg holen. Doch die Dessauer Behörden stellen sich bisher quer. Hasso Malak wandte sich an das Multikulturelle Zentrum. Razak Minhel, Leiter der Einrichtung, versprach zu helfen. Denn er versteht nicht, "warum Malak ein Bleiberecht aus humanitären Gründen bekommt, aber für die Familie und die vier Kinder gelten diese Gründe nicht". Minhel verweist darauf, dass die Kinder jetzt ohne ihren Vater leben. "Das deutsche Recht sagt, dass die Familie zusammen bleiben muss." Doch die Dessauer Ausländerbehörde teilt auf Nachfrage mit: "Einen Familiennachzug im eigentlichen Sinne, der den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen soll, gibt es in diesem Fall nicht."
Malaks Frau und seine Kinder dürfen nur dann nachkommen, wenn der Bund oder das Land eine Ausnahmeregelung erlässt: "Bislang gibt es für Syrien weder eine Anordnung unserer Landesbehörde noch Anordnungen des Bundesministeriums des Innern und in Folge Aufnahmezusagen", heißt es von der Stelle in Dessau.
Razak Minhel schrieb deshalb einen Brief an Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht. Der antwortete, für eine Einreise der Familie wären "konkrete humanitäre Gründe vorzulegen. Die für die Bevölkerung allgemein schwierige Lage in Syrien stellt noch keine Ausnahme dar." Hasso Malak könne gegen diese Ablehnung Widerspruch einreichen oder dagegen klagen.
Razak Minhel ärgert die Antwort des Ministers. "Die Familie kann dort sterben, das ist für die Behörde kein Problem", interpretiert er und betont, dass es nicht "tausende Leute" seien, die kommen wollen, sondern Einzelfälle. Minhel erinnert an die Zeit des Irakkrieges in den 1990er Jahren. "Da gab es viele irakische Kurden, die Familien nachholen durften. Ich wünsche mir, dass die Dessauer Behörde den Fall noch einmal neu beurteilt", sagt er und hofft, dass Malak zu einem Gespräch eingeladen wird. Deshalb hat sich Minhel an die Dessauer Integrationskoordinatorin gewandt. Seit sechs Wochen wartet er auf eine Antwort.
Im Moment kann Hasso Malak also nur warten - auf ein Entgegenkommen der Behörden oder darauf, dass Syrien sich in ein demokratisches Land verwandelt. Dann könnte er zurückkehren.
Doch der 46-jährige Syrer Malak ist kein Träumer. Er betet, dass es seiner Familie gut geht. "Ohne sie ist das Leben in Dessau unerträglich", meint er.