Familiäres Krisen-Management
Dessau/MZ. - "Jetzt fängt die Arbeit erst richtig an", sagt Ernst, "überwältigt" vom Wahlergebnis. Am Ende stand eine Bitte. "Verzichten Sie darauf", erklärte Ernst, "Christoph Göring und mich gegeneinander auszuspielen." Göring ist Kreischef der CDU und trat gegen Ernst an, obwohl er einst selbst dabei war, als es darum ging, den Dessauer Sparkassenchef für eine CDU-Kandidatur zu überzeugen.
Drei Monate später hat die heile Welt der Dessauer CDU Kratzer. Wenn am 4. November ein neuer Vorsitzender gewählt wird, tritt Amtsinhaber Göring nicht mehr an. Das hat der 32-Jährige intern angekündigt. Nicht ganz freiwillig. Nicht wegen der Juni-Wahlschlappe. Im CDU-Kreisvorstand kam es nach MZ-Informationen zu heftigen Auseinandersetzungen. Auslöser war Görings Unterstützung für eine Amtszeitverlängerung von Dessaus Oberbürgermeister Hans-Georg Otto bis zur Fusion mit Roßlau. Acht weitere CDU-Stadträte hatten die von der PDS initiierte Petition unterschrieben. Göring steht dazu und sieht gegen sich eine "Diffamierungskampagne" laufen. Einen sofortigen Rücktritt lehnt Göring ab. "Ich werde aber nicht mehr kandidieren", bestätigt der Unternehmer der MZ. 2004 hatte ihn die CDU noch mit 95 Prozent wieder in sein Amt gewählt.
Dessaus CDU ist versunken in einem Klima aus Misstrauen und Beschuldigungen. Da werden gezielt Gerüchte gestreut. Da gibt es Vorstandsmitglieder, die nur noch per Brief verkehren. Da werden anonyme Misstrauensanträge herumgereicht. Da wird über Parteiausschlussverfahren spekuliert. Da wird um die Besetzung der Wahlkampfteams gestritten. Da werden Gegendarstellungen geschrieben. Mit Konsequenzen: Nicht nur ein neuer Vorsitzender muss her. Die halbe CDU-Fraktion will zur Kommunalwahl nächstes Jahr nicht mehr antreten.
Dass allein die Unterschriften unter die Otto-Petition daran schuld sind, ist kaum zu glauben. Öffentlich äußern will sich keiner. "In jeder Familie gibt es mal Probleme. Ich sehe keinen Substanzverlust", sagt Kurt Brumme, CDU-Landtagsmitglied und Roßlaus CDU-Chef. "Wir haben das dort geklärt, wo es hin gehört", versichert Jens Kolze, Landtagsabgeordneter und stellvertretender CDU-Chef in Dessau. "Dessaus CDU ist in der Lage, ein ordentlichen Krisenmanagement zu betreiben."
"Es gibt Verlierer, und es gibt schlechte Verlierer", sagt Brumme und wagt als einziger öffentlich Kritik an Kreischef Göring und dessen OB-Kandidatur gegen Ernst. "Wer so deutlich sein Ziel verfehlt, muss Konsequenzen ziehen." Göring aber habe ein zu großes Beharrungsvermögen. "Einsicht ist da nicht erkennbar."
Es habe Kritiken und eine offene Aussprache gegeben. "Ob mit den Ergebnissen jeder leben kann, weiß ich nicht", sagt Kolze, der auf Görings Verdienste für die Dessauer CDU verweist. "Das sollten alle Kritiker bedenken." Jetzt müsse der Blick nach vorn gehen. "Wir können uns es nicht leisten, ein halbes Jahr vor zwei wichtigen Wahlen wie ein Hühnerhaufen dazustehen." Das Ziel sei klar.
"Wir haben genügend Potenzial, um eine schlagkräftige Truppe aufzustellen. Wir wollen den Oberbürgermeister stellen und wieder stärkste Fraktion im Stadtrat werden." Möglich ist, dass dies unter einem CDU-Kreischef Kolze probiert wird. "Wenn die CDU mich braucht, bin ich bereit." Brumme befürwortet für Roßlaus CDU Kolzes Kandidatur.
Ganz ausgestanden scheint die Sache allerdings nicht. Christoph Göring, noch bis November CDU-Kreischef, plant eine Tour durch die CDU-Ortsverbände. Um richtig zu stellen, was alles an Gerüchten im Umlauf ist. "Ich lasse mir meine Reputation nicht kaputt machen."