Fallschirmsprung zum Junkers-Fest Fallschirmsprung zum Junkers-Fest in Dessau: "Rudi" wagt mit 91 noch den Sprung seines Lebens

Dessau - Der Himmel zieht sich zu und dann beginnt es auch noch zu regnen. Schon wieder heißt es für Rudolf Brandenburger warten und hoffen. Hoffen darauf, dass es an diesem Samstag zum Hugo-Junkers-Fest endlich passiert. Dass sein lang gehegter Traum, sein Lebenstraum, endlich in Erfüllung geht. Brandenburger möchte Fallschirmspringen.
So weit, so normal. Doch dieser Gast des Dessauer Fallschirmspringervereins ist ein ganz besonderer. 91 Jahre alt ist der Senior aus Jeber-Bergfrieden. „Für mich ist das kein Problem“, sagt er ganz selbstbewusst. „Als ich im letzten Herbst hier im Verein angerufen habe, ob die ein Problem damit hätten, mit einem über 90-Jährigen zu springen, sagten sie auch, dass das für sie in Ordnung ist.“
Träume sind dafür da, sie zu leben, egal wie alt man ist
Auf die Frage, warum er das mit dem Springen ausgerechnet jetzt im höheren Alter machen möchte, antwortet er ganz nüchtern. „Meine Frau ist vor kurzem gestorben. Die hat mir das immer verboten. Jetzt mache ich das einfach.“ Ganz unbekannt ist ihm das Fallschirmspringen nicht. Als junger Mann kämpfte er im Zweiten Weltkrieg vor allem an der Westfront in der Normandie und war dort bereits Teil einer Fallschirmtruppe, bis zur Kriegsgefangenschaft 1944, erst in Frankreich, später in Kalifornien.
Nach dem Krieg kam er, der einst im Junkerswerk Werkzeugmacher lernte, zurück in die Region. Arbeitete Jahrzehnte im Sägewerk Jeber-Bergfrieden, heiratete und gründete eine Familie.
Der Traum vom Fallschirmsprung, wie einst bei der Truppe auch im zivilen Leben, blieb ein beständiger, auch wenn die Frau aus Sorge um ihn immer wieder „Nein“ sagte. Doch Träume sind dafür da, sie zu leben, egal wie alt man ist. Die Dessauer Fallschirmspringer mit ihrem Domizil am Flugplatz haben im Internet recherchiert, ob es schon andere Springer in diesem Alter gab. Den weltweiten Rekord hält ein Amerikaner, der mit 101 Jahren einen Fallschirmsprung wagte. „Vielleicht in ganz Deutschland, auf jeden Fall aber in Dessau, ist unser Rudi der Rekordhalter“, sagt der Vereinsvorsitzende Frank Segatz.
Die aktiven Springer des Vereins, sehr viel jünger als Brandenburger, nennen ihn alle einfach nur „Rudi“. Denn der 91-Jährige ist ein sehr vitaler, unkomplizierter Kumpeltyp. Dreimal hat er in den vergangenen Monaten vergebens auf seinen Tandemsprung gewartet. Immer hat das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch am Samstag musste es klappen. Und tatsächlich gibt der Tandem-Master Stephan Schauer grünes Licht.
Auf 3.000 Meter Höhe von Aufregung keine Spur - nur Vorfreude
Am Flugzeug weist er ein, gibt wichtige Tipps zur Körperhaltung vor und nach dem Absprung. Dann wird Rudolf Brandenburger passend eingekleidet und ab geht es ins Flugzeug. Von Aufregung keine Spur. Die Vorfreude überwiegt. Auf 3.000 Meter Höhe wird er mit dem Tandem-Master und dem Piloten fliegen und dann springen. „Mit 200 Stundenkilometern bewegt man sich nach dem Absprung. Auf dem Boden landet man mit ungefähr 25 Stundenkilometern“, erklärt Schauer.
„Rudi“ genießt die Minuten zwischen Himmel und Erde. Kaum auf dem Boden, resümiert er: „Einfach wunderbar.“ Er ist auf den Geschmack gekommen. „Das muss ich unbedingt mindestens noch einmal machen.“ Der Senior nimmt die Glückwünsche der Fallschirmspringer entgegen und ist glücklich, sich wenigstens diesen einen „verrückten Traum“ erfüllt zu haben. Denn ursprünglich wollte er noch etwas anderes ausprobieren: Bungee-Jumping. Doch davon rieten ihm neben seiner Frau auch die Ärzte ab. (mz)