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Erzieherausbildung Erzieherausbildung: Mit zweierlei Maß?

Von Heidi Thiemann 23.07.2013, 18:03
Daniela Ahmadi (l.) und Birgit Fischer sind sauer.
Daniela Ahmadi (l.) und Birgit Fischer sind sauer. Privat Lizenz

Dessau/MZ - „Keiner fühlt sich verantwortlich“, sagt Birgit Fischer - und genau deshalb fühlen sich Fischer, Daniela Ahmadi und vier weitere Dessauer Frauen abgeschoben. Im April dieses Jahres haben die Frauen gemeinsam mit drei Köthenerinnen einen vom Dessauer Jobcenter vermittelten und durch einen Bildungsgutschein geförderten Kurs zur Vorbereitung auf die externe Prüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin bei der FAW Dessau/Köthen begonnen. Anfang Juli war für die Frauen aus Dessau Schluss, während die Köthenerinnen weiter unterrichtet werden. Im Kern geht es um die Frage, liegt der Prüfungstermin für die Frauen innerhalb der Maßnahme oder nicht? Das Zerbster Jobcenter und die Dessauer Agentur für Arbeit beantworten das unterschiedlich.

Kein Anlass zum Abbruch

Die Köthenerinnen wurden von der Komba, der Kommunalen Anstalt für Beschäftigung und Arbeit des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, in die Maßnahme vermittelt. Und die Komba, sagt deren stellvertretende Pressesprecherin Katrin Strömer, „kann auch nach nochmaliger Prüfung an der Maßnahme nichts feststellen, was zu einem Abbruch führen könnte“. Der Unterricht laufe deshalb weiter. Nur eben ohne die Dessauerinnen.

„Wir lassen uns diese Farce nicht gefallen“, sagt Birgit Fischer - und hat den Weg in die Öffentlichkeit gesucht. Gemeinsam mit Ahmadi hat die Dessauerin am Dessauer Rathaus-Center protestiert.

Fischer selbst ist 53. Zwei Jahre lang war sie als pädagogische Mitarbeiterin an der Evangelischen Grundschule tätig. Das machte ihr Spaß. Seitdem wusste sie, sie wollte unbedingt mit Kindern arbeiten. Erzieher werden dringend gebraucht. Allerdings fehlte Fischer für eine Weiterbeschäftigung der entsprechende Abschluss. Den wollte die gelernte Fachverkäuferin, die zudem einen Fachschulabschluss mit pädagogischem Studium in der Tasche hat, gern machen und freute sich, als der Anruf vom Jobcenter kam: „Frau Fischer, wir haben hier etwas für Sie.“ Das war Gründonnerstag und ein tolles Ostergeschenk.

Alles fing verheißungsvoll an: Der Unterricht fand abwechselnd in Köthen und Dessau statt. „Wir waren eine sehr homogene Gruppe mit viel Lerneifer und Engagement. Das haben uns die Dozenten immer wieder bestätigtet.“ Doch schon Ende April gab es erste Unruhe. Der auf zwei Jahre ausgelegte Zwei-Phasen-Kurs (Theorie- und Praxisphase mit Anerkennungspraktikum), hieß es vom Dessauer Jobcenter, würde von der Agentur für Arbeit so nicht bestätigt. „Wir sollten ruhig bleiben, die Verhandlungen laufen noch.“ Die Frauen aber wurden, so sieht es Birgit Fischer heute, nur hingehalten. Anfang Juli war Schluss.

Dessaus Jobcenter-Chef Jens Krause begründet das mit einer Prüfung durch die Agentur für Arbeit. „Wir gehen zum ersten Mal eine Erzieherausbildung an“, sagt Krause. Der Bildungsträger, die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW), sei auch zertifiziert. Doch laut seiner Auskunft sei die auf zwei Jahre ausgelegte Maßnahme nach Prüfung durch die Arbeitsagentur rechtlich nicht konform, gebe es „Versäumnisse des Trägers“. Die Abschlussprüfung liege außerhalb des Förderzeitraumes von zwei Jahren. Katrin Strömer von der Anhalt-Bitterfelder Komba hingegen sagt: „Der Prüfungszeitraum liegt innerhalb der Maßnahme.“

Die FAW selbst ist ratlos, wie die stellvertretende Akademie-Leiterin Antje Zehe gegenüber der MZ zugibt. „Nach unserer Einschätzung wäre es möglich gewesen, die Frauen erfolgreich zur Prüfung im Jahr 2014 zu führen.“ Auf eine Begründung, warum die Maßnahme nicht anerkannt werden könne, warte man. „Für uns ist im Moment nicht klar, wo der Fehler liegt.“

„Dass die Teilnehmerinnen ein Stück weit frustriert sind, kann ich verstehen“, sagt Krause - und verspricht, niemanden hängen zu lassen. Im September solle eine neue Erzieher-Maßnahme aufgelegt werden. Mit 24-monatiger theoretischer Ausbildung und einem folgenden Praktikum. Für die Praktikumszeit erhalten die Teilnehmer dann einen Vertrag mit einem Betrieb. „Wir sind hier mit dem Eigenbetrieb Dekita im Gespräch“, erklärt der Jobcenter-Chef. Zehe von der FAW sagt: „Bis September möchten wir offene Fragen klären und dann mit einer Maßnahme von etwa 24 Monaten beginnen, an die sich nach bestandener Prüfung das Berufspraktikum anschließt.“ Sie würde es freuen, wenn Interessenten vom Jobcenter an der FAW-Maßnahme teilnehmen könnten.

Motivation ist weiter gegeben

Für Birgit Fischer und die anderen wäre das ein ermunterndes Signal. Allerdings: „Wir haben ein halbes Jahr verloren. Und die neue Ausbildung verlängert sich nun um ein Jahr.“ Motiviert sind die Frauen trotz allem noch.