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Ein Bauhausschüler Ein Bauhausschüler: Carl Marx war ein Dessauer Maler dessen Werk lange im Abseits stand

Von Marin Stolzenau 20.03.2021, 13:00
Wolfgang Thöner, Bereichsleiter Sammlung, der Stiftung Bauhaus Dessau, mit Werken von Carl Marx im Bildarchiv der Stiftung, das sich in Räumen der alten Schultheiss-Brauerei befindet.
Wolfgang Thöner, Bereichsleiter Sammlung, der Stiftung Bauhaus Dessau, mit Werken von Carl Marx im Bildarchiv der Stiftung, das sich in Räumen der alten Schultheiss-Brauerei befindet. Thomas Ruttke

Dessau - Carl Marx stammte aus der Umgebung von Bitterfeld, studierte am Bauhaus und entwickelte sich nach dem II. Weltkrieg in der DDR zur eigenständigen Künstlerpersönlichkeit, die alle staatlichen Reglementierungen ignorierte, aus eigener Menschenkenntnis die Wirklichkeit in verzauberten Bildfabeln darstellte und dabei als „demokratischer Sozialist“ einen „unbeirrbaren Optimismus“ beibehielt.

Er war kein angepasster Auftragsmaler, aber auch kein Dissident und konstatierte die Wendegegebenheiten mit den Worten: „Die verkaufen unser Land!“ Der bundesdeutsche Blick auf die DDR-Kunst und Nachlass-Querelen drängten das Werk dieses ungewöhnlichen Künstlers nach seinem Tod vor 30 Jahren lange ins unverdiente Abseits.

Carl Marx wurde am 18. August 1911 in Göttnitz geboren

Erst in den letzten Jahren vollzog sich die überfällige Wiederentdeckung mit Ausstellungen in Halle, Dessau, Potsdam, Berlin, Apolda und Weimar und diversen Kommentaren in den Medien. Doch dieser Prozess ist recht zählebig. Für große Museen, einflussreiche Kunstkritiker aus den alten Bundesländern und ihre ostdeutschen Jünger klebt an seinem Werk noch immer der vermeintliche Makel der DDR- Kunst.

Carl Marx wurde am 18. August 1911 in Göttnitz geboren. Der Ort liegt südlich der Fuhneaue, hat einen slawischen Ursprung, wurde 1161 erstmals urkundlich erwähnt und gehörte über Jahrhunderte zum Rittergut Ostrau. Ab 1816 war Göttnitz Bestandteil des preußischen Landkreises Bitterfeld. 2004 wurde der Ort ein Ortsteil der Kleinstadt Zörbig im Landkreis Anhalt-Bitterfeld.

Der Vater von Marx arbeitete als Müller und war in der linken Arbeiterschaft organisiert. Das prägte auch den künstlerisch begabten Jungen, der nach der Übersiedlung der Familie nach Dessau nur unter großen finanziellen Mühen die Mittelschule absolvieren konnte. Carl Marx wurde Dekorationsmaler, Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und ging nach dem Lehrabschluss 1929 auf Wanderschaft.

Hautnah erlebte Marx die Ausuferungen der Weltwirtschaftskrise

Sein Weg führte ihn quer durch Deutschland über Österreich bis in die Schweiz. Sein Skizzenblock war überall dabei. Hautnah erlebte Marx die Ausuferungen der Weltwirtschaftskrise. Dieses Erleben begründete seine Lebenserfahrung und seinen asketischen Lebensstil, den er lebenslang beibehielt.

Nach der Heimkehr begann der Malergeselle mit einem Stipendium von 75 Reichsmark aus einem Fond zur Förderung begabter Studenten voller Hoffnungen ein Kunststudium am Bauhaus in Dessau, das er nach dessen Zwangsschließung in Berlin fortsetzte, bis auch hier die Nazis für ein Ende sorgten. Das Bauhaus prägte ihn nachhaltig.

Doch nach der Machtergreifung der Nazis war für Bauhaus-Künstler kein Platz. Marx überlebte als Anstreicher, wurde 1938 zwangsweise zum Bau des Westwalls dienstverpflichtet und 1940 zum Wehrdienst eingezogen. Jetzt hatte ihn der Krieg bis zu einer schweren Verwundung, die 1942 seine Entlassung als Schwerbeschädigter zur Folge hatte. Bis Kriegsende arbeitete er in einem Dessauer Betrieb als Prüfstellen-assistent.

Der Eigenbrötler verblüffte immer wieder aufs Neue

Danach aber begann für ihn ein neues Zeitalter voller Hoffnung auf ein besseres Leben und künstlerische Selbstverwirklichung. Neben Gelegenheitsarbeiten, aus denen er sein „Existenzminimum“ bestritt, zeichnete und malte Marx nun seine Lebenseindrücke voller Euphorie. Doch er schönte den Aufbau der neuen Gesellschaft, die ihm so am Herzen lag, nicht, wie neue „dogmatische Eiferer“ von ihm verlangten. Das allerdings hatte wiederum Konflikte zur Folge.

Marx, der nach einer ersten Ausstellung 1947 in Dessau als freischaffender Künstler lebte, behauptete sich jedoch gegen alle Einwände als Maler, nahm an Bezirkskunstausstellungen teil und hatte Verkaufserfolge, die ihm Unabhängigkeit sicherten. Das ging soweit, dass er große Summen für die internationale Solidarität spendete und sogar nach Erreichen des Rentenalters auf seine Staatsrente verzichtete.

Der Eigenbrötler verblüffte immer wieder aufs Neue. Dazu gesellte sich mit reger Fantasie, viel Humor und großer Farbigkeit ein wirklichkeitsabgewandeltes Bilddenken. Seine Lieblingsmodelle waren Frauen, die er lustvoll und mit sinnlicher Energie in bunten Verkleidungen und vor allem nackt malte.

Marx malte seine Figuren als „Metaphern der Macht, des Kommerz und der Scheinheiligkeit“

Selbst die abverlangten „Arbeiterbilder“ gestaltete er als „Gegenbilder zum offiziösen Auftrag“. Das reichte bis zur „feurigen Schweinezüchterin“, die einen „bebrillten Intellektuellen als Repräsentanten der Macht“ geradezu verhöhnt.

Marx liebte die Ironie und malte seine Figuren als „Metaphern der Macht, des Kommerz und der Scheinheiligkeit“. In einem Bild bringt ein weiblicher Erzengel sogar Gott zum Erröten. An anderer Stelle wartet ein Liebespaar in eindeutiger Haltung neben einem Vulkan auf die Eruption. Doch letztlich malte der spartanisch lebende Maler, der in seinem Haus am Dessauer Knarrberg keinen Kühlschrank und keinen Fernseher duldete, auf Halde und für später.

Aber auch mit der Realisierung der deutschen Einheit war er unzufrieden. Gegen viele selbsternannten Erneuerer und Einheits- gewinnler wetterte er voller Überzeugung. So hatte er die Erneuerung nicht erhofft. Darüber starb der eigenwillige Künstler am 10. März 1991 in Dessau. Er wurde 79 Jahre alt.
Was wird mit Erbe?

Seit 2004 werden seine Arbeiten nun endlich auch in Nachwende-Ausstellungen gezeigt

Weil für das Werkerbe lange ein Testament fehlte, räumten Mitarbeiter der Dessauer Stiftung Bauhaus das Maler-Depot und verbrachten die Arbeiten des Künstlers in ein stiftungseigenes Lager. Das war reichlich illegal und aus heutiger Sicht auch ein Glück zum Zwecke der Erhaltung.

2004 fand sich ein Brief wieder an, der den Marxfreund und Kunsthistoriker Andreas Hüneke aus Potsdam als Nachlassverwalter benennt, den Verkauf der Arbeiten zum Vorteil der Schwesternschaften der Dessauer Krankenhäuser festlegt und drei Institutionen ein Vorkaufsrecht sichert: der Stiftung Bauhaus Dessau, der Anhaltischen Gemäldegalerie Georgium und dem Landeskunstmuseum Moritzburg in Halle. Das brachte Bewegung in das Marx-Werk und sorgte für dessen Kommentierung. Seit 2004 werden seine Arbeiten nun endlich auch in Nachwende-Ausstellungen gezeigt und für die Öffentlichkeit zugänglich. (mz)