Drei Familienmitglieder kehren aus Depot zurück
DESSAU/MZ. - 64 Jahre lang galten sie als in den Kriegswirren verschollen. Dass sie aufgefunden und dem rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden konnten, stimmte ausnahmslos alle Anwesenden in der Gemäldegalerie heiter.
Schon vor 1945, als Berlin bombardiert wurde, hatte ein Onkel von Prof. Lepsius die Bilder in Sicherheit bringen lassen. Sie wurden in einem Evakuierungsdepot in Quellendorf aufbewahrt. Doch das Depot, eine frühere Turnhalle, wurde geplündert. Drei der insgesamt sieben dort gelagerten Familienporträts gelangten anschließend nach Dessau in die Anhaltische Gemäldegalerie, wo sie 64 Jahre lang im Depot aufbewahrt wurden. "Aufgrund fehlender kunsthistorischer wie auch lokalpolitischer Bedeutung fanden sie aber nie den Weg in eine Ausstellung", wie Galeriedirektor Michels erklärt. "Für die Familie hingegen haben die Gemälde einen familiengeschichtlich hohen Wert." Dass sie ausfindig gemacht wurden, sei sicher auch ein Glücksfall, befindet Michels, führt das aber auch auf den hartnäckigen Forschergeist von Lepsius zurück.
Für den 81-Jährigen schließt sich in Dessau ein Kreis. Nicht nur, weil die Gemälde wenige Kilometer entfernt in Quellendorf verschollen gingen, sondern auch, weil die Wurzeln der Familie im Anhaltischen liegen - im Ort Leps bei Zerbst. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschlug es einen Zweig der Familie über Trebbin nach Naumburg. Hier wirkte Peter Christoph Lepsius (1712-1799) als Jurist. Ihn zeigt das älteste der drei Gemälde. Und er war es, der den ursprünglichen Namen Leps in die latinisierte Form umwandelte, "eine damals unter Gelehrten verbreitete Praxis", wie die Berliner Kunsthistorikerin Dr. Annette Dogerloh bei der Übergabe der Gemälde erklärte.
Nach mehreren Generationen von Juristen mit geschichtlich-archäologischen Interessen, folgte Carl Richard Lepsius (1810-1884) in der Generationenfolge. Der berühmte Altertumswissenschaftler und Sprachforscher begründete die Ägyptologie als Wissenschaft in Preußen. Zu den sechs Kindern des Ägyptologen gehörten der Chemiker Bernhard Lepsius (ihn zeigt das zweite der drei Porträts) und Reinhold Lepsius (1857-1922). Er porträtierte seinen Bruder. Reinhold Lepsius und seine Frau Sabine wiederum gehörten zu den Mitbegründern der Münchner und der Berliner Sezession - den wichtigsten deutschen Künstlervereinigungen an der Schwelle der Moderne.
Sabine Lepsius leitete auch ein Schülerinnenatelier, dem unter anderem ihre Nichte Editha Blaß (später Klipstein) angehörte. Sie schuf das dritte Bild - eine Kopie eines Porträts, das den Naumburger Ahnherren Carl Peter Lepsius (1775-1853) zeigt, den Sohn von Peter Christoph Lepsius.
Dass die drei Ahnen nun wieder im Familienbesitz sind, macht Prof. Lepsius glücklich. Denn der Doyen der Soziologen in Deutschland, Mitglied mehrerer Akademien und Gelehrtengesellschaften, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Familienhistorie zu dokumentieren und nachzuzeichnen. Zwar gibt er zu, nicht mit Aussicht auf Erfolg gerechnet zu haben, als er sich 2006 auf der Suche nach den Gemälden nach Dessau wandte. Doch Frank Kreißler vom Stadtarchiv und Margit Schmuck-Ziesché von der Anhaltischen Gemäldegalerie konnten ihm in drei Fällen helfen.
"Die Galerie hat 64 Jahre lang als Treuhänder fungiert", war Prof. Lepsius am Dienstag dankbar. Restauriert sollen die Gemälde Museen als Leihgaben zur Verfügung stehen. Dass auch die vier anderen noch verschollenen Ahnen gefunden werden, hofft er weiterhin.