Direktkandidaten im Wahlkreis 27 Direktkandidaten im Wahlkreis 27: Holger Hövelmann tritt für die SPD an

Dessau - Er sieht die Gesellschaft ist in einer Vollkasko-Demokratie angekommen. Einer, in der ein politisches Rundum-Sorglos-Paket erwartet wird. „Aber Demokratie funktioniert nur, wenn viele mitmachen“, sagt Holger Hövelmann. Er will wieder mitmachen und stellt sich am 13. März als SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis 27 zur Wiederwahl.
Jüngster deutscher Landrat
Dass er in einer Großfamilie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, hat ihn geprägt: Er musste sich durchsetzen gegen sieben Geschwister, kämpfen. Heute wirkt er konservativ, nicht unbedingt der Revoluzzer-Typ. Er klärt die Dinge ruhig, das Soziale, Solidarische trägt er als Überzeugung in sich - und auf der Zunge. Motto: Nicht Jeder seins, sondern gemeinsam. Das will er auch für die Region erreichen. Sie soll mit mehr Selbstbewusstsein und Stärke im Landtag auftreten. „Dessau hat das Bauhaus, Roßlau die Elbeschifffahrt, Wittenberg Luther. Das sind aber keine getrennten Themen, sondern sie prägen die gesamte Region“, so Hövelmann. „Wir müssen es schaffen, gemeinsame starke Positionen zu entwickeln, um mehr aus uns zu machen.“
Holger Hövelmann wurde am 12. Juli 1967 in Roßlau geboren. Er ist seit 28 Jahren verheiratet und hat zwei Töchter. Nach dem Abitur studierte er an der Offiziersschule der Landstreitkräfte der NVA in Zittau als Politoffiziersschüler. Das Studium schloss er 1990 als Diplomwissenschaftler ab.
Zunächst arbeitete er als Vorsitzender des Personalrates in der Kreisverwaltung Zerbst. 1993 wechselte Hövelmann als Gewerkschaftssekretär zur ÖTV-Kreisverwaltung Anhalt in Dessau. Im gleichen Jahr trat er in die SPD ein, wurde 1994 Mitglied im Kreistag Anhalt-Zerbst, war bis 2001 Vorsitzender der SPD-Fraktion. 2001 wurde er Landrat vom Kreis Anhalt-Zerbst. Seit 1998 ist er zudem Mitglied im Landesvorstand der SPD. Von 2006 bis 2011 war Hövelmann Innenminister des Landes. Über die Landesliste war er 2011 in den Landtag gewählt worden.
Hövelmann ist Mitglied in verschiedenen Vereinen und Organisationen. Er gilt als Arbeitstier, legt aber auf der anderen Seite großen Wert auf ein intaktes Familienleben. Mit seiner Familie ist er viel unterwegs. Derzeit liest er von Hape Kerkeling „Der Junge muss an die frische Luft.“ (mz/lga)
Aus sich hat Hövelmann auch etwas gemacht, auch wenn er nur elf Kilometer weit gekommen ist. Geboren in Roßlau, ist er im Kindesalter mit der Familie nach Zerbst gezogen, wo er bis heute wohnt. Jüngster bei irgendwas zu sein, das passierte ihm später oft. Etwa, als er 2001 Landrat von Zerbst wurde. Damals war er jüngster deutscher Landrat. Mit 36 war er SPD-Landeschef. Mit 38 Innenminister, der jüngste. Er war nicht der beliebteste, aber der bekannteste, meint Hövelmann. Denn er musste auch einstecken für die Gebietsreform unter seiner Ägide. 2006 schlug ihm die Politik auf den Magen. Ein Geschwür zwang zum Kürzertreten, seitdem wird nicht mehr geraucht. Und heute fehle es nicht mehr.
Wie Hövelmann den Verkehr in der Region durch Ortsumgehungen umgestalten will, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Dialog statt Poltern
Einen Mangel stellt Hövelmann allerdings in der regionalen Verkehrssituation fest. „Roßlau braucht eine Ortsumgehung, genauso wie Coswig. Der Verkehr dort in den Straßen ist eine Katastrophe.“ Mit einer Umgehung könnten auch Wirtschaftsräume verknüpft werden. Die Vorhaben hatte das Land für den neuen Bundesverkehrswegeplan mit oberster Priorität angemeldet. „Wir brauchen Baurecht und die Mittel vom Bund. Dafür muss der Druck erhöht werden.“ Einsetzen will sich Hövelmann ebenso dafür, dass Mittel aus EU-Fördertöpfen wie Stark-Programme zur Entschuldung und energetischen Sanierung für Schulen und Kitas mit regionalem Blick verteilt werden. Dies sehe er auch derzeit als seine Aufgabe im Europaausschuss des Landtages.
Welche Maßnahmen würden Sie treffen, um die hohe Zahl von Flüchtlingen gut zu integrieren?
Sachsen-Anhalt hat seit 1990 700.000 Einwohner verloren. Da sollte es uns gelingen, 30.000 Flüchtlinge gut zu integrieren. Sehen wir es doch als etwas Positives! Unterbringung in Wohnungen, Erlernung der deutschen Sprache, Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und die Anerkennung der Berufsabschlüsse sind notwendig für eine gelungene Integration.
Es fehlt im Land vor allem an hoch qualifizierten und gut bezahlten Jobs. Wie soll das geändert werden?
Staatliche Förderung muss noch stärker an gute Arbeitsbedingungen geknüpft werden. Öffentliche Aufträge nur für tariflich bezahlte Arbeit! Gute Mitarbeiter gibt es nur bei guten Löhnen, mehr tarifgebundene Unternehmen und mehr betriebliche Mitbestimmung sorgen für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen.
Wofür wollen Sie sich - im Falle Ihrer Wahl - als Landtagsabgeordneter ganz besonders einsetzen?
Die Ortsumfahrungen Roßlau und Coswig sind dringend notwendig. Der Ausbau des Radwegenetzes für die touristische Infrastruktur und die weitere Sanierung von Schulen und Kitas, um die Bedingungen für unsere Kinder zu verbessern, sind mir wichtig.
Was werden Sie im Landtag dafür tun, dass Dessau-Roßlau von „Luther 2017“ und „Bauhaus 2019“ profitiert?
Die Jubiläen sind keine lokalen Ereignisse, sie werden der gesamten Region zu Gute kommen. Der Tourist kennt keine Stadtgrenzen! Die Investitionen in Wittenberg und das neue Bauhausmuseum in Dessau sind klare Bekenntnisse des Landes. Wir müssen gemeinsam die Werbetrommel rühren, dafür werde ich mich im Landtag einsetzen.
Welchen Wert hat für Sie Dessau-Roßlau als kreisfreies Oberzentrum und wie kann dieses erhalten werden?
Wichtig für Stadt und Region sind nicht Titel, sondern was daraus gemacht wird. Dessau-Roßlau muss als Oberzentrum Motor für die gesamte Region sein, Stadt und Landkreise noch mehr regional denken und handeln und dafür sorgen, dass im Land mehr positive Nachrichten aus Anhalt ankommen.
Hövelmann ist kein Polterer. Er setzt auf den Dialog, ringt selbstbewusst um die besten Argumente. Nach 20 Jahren Politik weiß er auch: Ohne Kompromissfähigkeit geht es nicht. Und auch nicht ohne Zuhören. Etwa aktuell beim Thema Flüchtlinge, auch wenn die großen Fragen nicht auf Landesebene entschieden werden. „Wir müssen Ängste ernst nehmen. Aber mich sorgt die Rhetorik im Land: Es gibt nur noch Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse. So gestaltet man keine Gesellschaft und so werden wir es auch nicht schaffen.“ Man müsse zweifellos zu besseren und schnelleren Lösungen kommen, aber dafür einfache Antworten zu geben sei „verlogen und schizophren“.
Rund 1,9 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bei der Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 51,2 Prozent. Es treten landesweit 15 Parteien zur Wahl an. Insgesamt 423 Kandidaten wollen ins Parlament einziehen. Sachsen-Anhalts Landtag hat künftig nach einer Parlamentsreform mindestens 87 Abgeordnete.
Jeder Wähler hat zwei Stimmen. In den 43 Wahlkreisen wird per Erststimme je ein Abgeordneter direkt gewählt. Die übrigen Mandate werden entsprechend der Zweitstimmen über die Landeslisten verteilt.
Bislang sind vier Parteien im Landtag. Zuletzt gehörten 68 Abgeordnete der Regierungskoalition (CDU 42, SPD 26) an. Die Linke stellte 28 und die Grünen 9 Abgeordnete. Zu Beginn der Wahlperiode war die Sitzverteilung noch leicht anders, weil eine Linke-Abgeordnete zwischenzeitlich zur CDU wechselte.
Spitzenkandidat der CDU ist Ministerpräsident Reiner Haseloff (61). Die Linkspartei stellte ihren Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert (52) auf Platz eins. Die SPD zieht mit Fraktions- und Parteichefin Katrin Budde (50) in den Wahlkampf. Bei den Grünen ist Fraktionschefin Claudia Dalbert (61) das Aushängeschild. Die Alternative für Deutschland (AfD) tritt mit Landeschef André Poggenburg (40) an, die FDP mit Frank Sitta (37).
Das Flüchtlingsthema dominiert zahlreiche Debatten. Aber auch die Wirtschaftslage, die Personalausstattung bei der Polizei oder Kosten für die Kinderbetreuung sind wichtige Themen.
Das letzte ZDF-„Politbarometer“ sah die CDU bei 33 Prozent, Linke und SPD jeweils bei 19 Prozent. Die AfD käme auf 15 Prozent, die Grünen müssten mit 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, die FDP würde scheitern.
Keine Partei will mit der rechtspopulistischen AfD zusammengehen. Daher wäre eigentlich nur die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition möglich. Linke, SPD und Grüne zusammen hätten keine Mehrheit im Landtag.
Bleibt die Frage: Was nun, Herr Hövelmann? Über Posten und Pöstchen nach der Wahl will er nicht spekulieren. „Ein Ministeramt ist unwahrscheinlich, das sehe ich entspannt. Ich habe mich bewusst für die Politik entschieden, weil ich gestalten und mich einmischen will. Da ist man nie fertig.“ (mz)