1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Dessauer Superstars heute fast vergessen

Dessauer Superstars heute fast vergessen

Von Claus Blumstengel 14.05.2007, 18:39

Dessau/MZ. - Doch bis vor kurzem waren von dieser wohl ersten Primadonna der Dessauer Theaterwelt nicht einmal Herkunft und vollständiger Name bekannt. Damit hatte Günter Ziegler, Mitarbeiter im Kulturamt, zu Beginn seines Vortrages im Stadtarchiv über Dessauer Theaterkünstler bereits das größte Problem seiner Nachforschungen benannt: Im Unterschied zu Malern, Schriftstellern, Bildhauern lebt die Erinnerung an Mimen und Sänger einer Zeit, in der es weder Fotografie noch Tonaufzeichnung gab, kaum länger als ihr letzter Zuschauer.

Gut im Gedächtnis

So begann Ziegler seinen Ausflug in die Dessauer Theatergeschichte seit 1794 mit Künstlern, die seinen zahlreichen Zuhörern nicht nur gut bekannt, von denen mit Günter Bochmann und Karl-Heinz Koppitz auch zwei anwesend waren. Beide wirkten in jener Aufführung von Gershwins Oper "Porgy und Bess" mit, in der Günter Ziegler als Mitglied des Extra-Chores mit zitternden Knien und einer Gänsehaut im August 1974 zum ersten Mal auf der Dessauer Bühne stand. Seine Mitgliedschaft in diesem Theater-Laienchor verdankte er der damaligen Musiklehrerin des Philantropinums Erdmute Geyer, die Gänsehaut dem von Gisela Krenkel gesungenen Lied "Summertime".

Allein schon die Lebensgeschichten der Mitwirkenden dieser Aufführung würden Bände füllen. Die von Klaus König etwa, der den Robin verkörperte und später eine internationale Karriere startete wie auch Ryszard Karczykowski, der spätere Musik-Professor und künstlerische Direktor der Oper Krakow. Bei den Anwesenden unvergessen auch die Karrieren von Etta-Marlen Schröder (Maria), Helga Thiede (Bess), des 1996 verstorbenen Jürgen Hoffmann (Crown), des Chilenen Fernando Barrera, von Rainer Büsching, Frank-Peter Späthe, Kurt Reinhardt und Edith Chmiel.

Detektiv-Arbeit

Waren Besetzungsliste und Lebensläufe dieser Künstler noch relativ leicht zu recherchieren, so gestaltete sich die Erforschung der Theater-Anfänge in Dessau für Günter Ziegler zu einem Jahre dauernden detektivischen Puzzlespiel. Kirchenbücher und herzogliche Akten gaben schließlich preis, dass Marie Henriette Jaime von der Königlichen Hofoper Berlin kam und 1801 mit dem Schäferspiel "Der Baum der Diana" in Dessau ihr Debüt gab. Fast zehn Jahre lang feierte sie in der Residenzstadt Triumphe und bekam höchste Gagen, bis das Hoftheater wegen der Kriegswirren 1810 geschlossen wurde. Die inzwischen mit dem Schauspieler Karl-Christian Lantsch verheiratete Diva musste Dessau verlassen, schlug sich mit ihren drei Kindern nach dem Tod des Mannes als Näherin recht und schlecht durch und starb völlig verarmt in Groß Salze bei Aken. Bemerkenswert ist, dass Henriette Jaime über viele Jahre vom Dessauer Fürstenhaus nach Bittbriefen finanziell unterstützt wurde.

Zieglers Verdienst ist es, die Theaterkünstler der ersten Stunde der Vergessenheit entrissen zu haben. Nicht allein mit seinem Vortrag, sondern auch in mehreren Bänden der Schriftenreihe "Zwischen Wörlitz und Mosigkau". Dort erfährt man auch Näheres über den ersten Dessauer Superstar Luise Niehardt, die hier mit ihrer Schwester Henriette bereits ab 1770 auf verschiedenen Bühnen stand.