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Dessauer Junkers 52 in der Hansestadt Hamburg Dessauer Junkers 52 in der Hansestadt Hamburg: Weltweit erstes Flugzeug unter Denkmalschutz

Von Ralf Böhme 02.03.2015, 19:20
Fast 80 und immer noch fit - Tante Ju aus Dessau soll laut Lufthansa als Denkmal weiterfliegen, mindestens bis sie 100 Jahre alt ist.
Fast 80 und immer noch fit - Tante Ju aus Dessau soll laut Lufthansa als Denkmal weiterfliegen, mindestens bis sie 100 Jahre alt ist. DLBS Lizenz

Dessau-Rosslau - Lautes Stimmengewirr dringt aus dem Pausenraum des Junkers-Museums in Dessau. Kaffee in großen Pötten, herzhafte Frühstücksbrote und eine erregte Debatte. 15 Männer, alle über 70 und alle im Blaumann gekleidet, kennen heute nur ein Thema: das erste fliegende Denkmal der Welt - eine in Dessau gefertigte Junkers 52. Dieser Wellblech-Vogel ist nahezu baugleich mit dem Flugzeug, an dessen Restaurierung sie seit 20 Jahren arbeiten.

Junkers 52 soll Denkmal werden

Deshalb berührt es alle in der Museumswerkstatt, dass die Hansestadt Hamburg im Sommer eine Junkers - und damit überhaupt erstmals ein Flugzeug weltweit - in den Rang eines Denkmals erheben will. Obwohl diese Ju 52 ziemlich weit weg in einem Hangar der Lufthansa in Hamburg steht, ruft bereits die knappe Nachricht sowohl hoffnungsvolle Befürworter als auch skeptische Kritiker auf den Plan.

Der ehemalige Feinmechaniker Peter Schenke zum Beispiel, der die Arbeitsgemeinschaft der Dessauer Luftfahrt-Enthusiasten leitet, hofft auf generell mehr öffentliche Aufmerksamkeit und auch auf mehr Spenden, um historische Flugzeuge besser erhalten zu können. Sein Kollege Gerhard Beeg, einst Produktionsleiter im Kraftwerk Vockerode, denkt anders darüber. Seiner Meinung nach bremsen oft allzu strenge Auflagen des Denkmalschutzes solche Restaurierungsprojekt e eher, als dass sie die Vorhaben beflügeln.

Anfänglich als Konstrukteur von Gasthermen bekannt, entwickelte Hugo Junkers (1859-1935) als Hochschullehrer und Forscher, Ingenieur und Unternehmer grundlegende Erkenntnisse im Flugzeugbau wie Ganzmetallbau und gewellte Struktur. Daneben stellte sein 1895 gegründeter Konzern in Dessau auch Flugmotoren her.

Außerdem gründete Junkers die Fluggesellschaft Junkers Luftverkehr AG, die 1926 mit dem Deutschen Aero Lloyd zur Luft Hansa fusionierte. Infolge der Weltwirtschaftskrise gerieten die Werke 1932 in finanzielle Schwierigkeiten. In allen Einzelheiten können Interessenten diese Entwicklung im Technik-Museum in Dessau nachvollziehen.

Da sich Junkers nicht mit dem Nationalsozialismus arrangierte und sich zudem auch noch mit einigen leitenden Mitarbeitern überworfen hatte, wurde er 1933 enteignet und der berühmteste Unternehmer der Region erhielt zeitweilig sogar ein Stadtverbot für Dessau. Mehr Informationen finden Sie im Internet unter ww.technikmuseum-dessau.de.

So gegensätzlich die Meinungen auch sind, niemand in der Runde hält hinterm Berg. Streit indes scheint ausgeschlossen. Eint die Männer doch der Stolz auf ihre eigene Ju 52, die sie in mühevoller Kleinarbeit vor der Verschrottung gerettet haben. Dieser ehrenamtlich erbrachten Leistung ist es zu verdanken, dass „Tante Ju“ überhaupt im Technik-Museum in Dessau zu bestaunen ist. Längst ist das Flugzeug der wichtigste Publikumsmagnet der ganzen Ausstellung.

Gleiche Baureihe, fast das gleiche Baujahr: Einen entscheidenden Unterschied gibt es aber doch, sagt Günter Koch, ein weiterer Mitstreiter. Der frühere Ingenieur aus dem Schwermaschinenbau Magdeburg: „Anders als die Lufthansa-Maschine besitzen wir keine amtliche Zulassung für den Flugbetrieb.“ Technisch würde zwar nicht viel fehlen. Klar sei aber auch, dass die Restarbeiten und auch die Prozedur bis zur Genehmigung eine Unmenge Geld verschlingen dürfte. Soviel, wie man es auch mit einem Denkmals-Siegel wohl nicht einwerben könne. AG-Leiter Schenk schätzt: „Um abzuheben, brauchen wir noch eine Million Euro oder auch zwei.“

Umso erstaunlicher wirkt, was die Arbeitsgemeinschaft bisher schon auf die Beine stellt. Helmut Glöckner, der sich als ehemaliger Motorenwerker in Roßlau mit Antrieben auskennt, reicht ein Foto herum. Es zeigt einen völlig demolierten Flugzeugmotor aus einer Ju 52. „So sah das Ding nach der Übernahme aus Norwegen vor 20 Jahren aus - Schrott.“ In sämtliche Einzelteile habe man den Motor zerlegt, Zerstörtes nach überlieferten Normenbüchern und Junkers-Zeichnungen auf den Zehntelmillimeter nachgebaut.

Wie viel Geduld man dafür aufbringen muss, beweist das Beispiel von den in den Zylindern festgefressenen Kolben. „Viele Versuche, sie zu trennen, scheiterten kläglich“, sagt AG-Leiter Peter Schenk. Sogar zwischen zwei ausgewachsene Apfelbäume habe man Bauteile gespannt - erfolglos. Das rostige Metall habe sich nicht einen Millimeter bewegt. Abhilfe, erinnert man sich, brachte erst eine „Impfung“ mit einem speziellen Motorenöl. Inzwischen läuft der Motor wieder und Museumsbesucher können die Funktionsweise und die Geräuschkulisse erleben. Zudem können sie im Flugzeug sitzen und einen Blick ins Cockpit werfen.

Obwohl sie neben der Ju 52 bereits an einem weiteren Flugzeug arbeiten, geraten die Fans in der Kabine ins Schwärmen. Ihnen fällt ein, wie sie den Dreck aus den Getrieben gekratzt haben. Sie erinnern an die Lackierungsarbeiten nach dem Motto „Das hält ewig.“ Und erst die Messinstrumente auf den Tragflächen, die signalisieren, wie viel Treibstoff noch im Tank ist. Klar, dass die Hobby-Flugzeugmechaniker das fliegende Denkmal in Empfang nehmen, wenn es im Mai in Dessau landet. (mz)

Die Ju 52 in Dessau ist ihr zweites Zuhause: Peter Schenke (links) und Jürgen Franke sitzen vorn, dahinter Helmut Glöckner und Gerhard Beeg.
Die Ju 52 in Dessau ist ihr zweites Zuhause: Peter Schenke (links) und Jürgen Franke sitzen vorn, dahinter Helmut Glöckner und Gerhard Beeg.
A. Stedtler Lizenz
Wertarbeit - einen Eindruck vermittelt der Blick ins Cockpit der Maschine. Die Junkers im Technik-Museum Dessau wird nicht nur bestaunt, sondern jede Woche von einem Fachmann der Ju 52-Arbeitsgemeinschaft inspiziert.
Wertarbeit - einen Eindruck vermittelt der Blick ins Cockpit der Maschine. Die Junkers im Technik-Museum Dessau wird nicht nur bestaunt, sondern jede Woche von einem Fachmann der Ju 52-Arbeitsgemeinschaft inspiziert.
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Wertarbeit - einen Eindruck vermittelt der Blick ins Cockpit der Maschine. Die Junkers im Technik-Museum Dessau wird nicht nur bestaunt, sondern jede Woche von einem Fachmann der Ju 52-Arbeitsgemeinschaft inspiziert.
Wertarbeit - einen Eindruck vermittelt der Blick ins Cockpit der Maschine. Die Junkers im Technik-Museum Dessau wird nicht nur bestaunt, sondern jede Woche von einem Fachmann der Ju 52-Arbeitsgemeinschaft inspiziert.
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