Dessauer Indianer sucht den Schatz im Silbersee
BAD SEGEBERG/DESSAU/MZ. - Miguel Rodriguez aus Dessau kann dies am ehesten beurteilen. Als Statist bei den traditionsreichen Karl-May-Spielen in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein erlebt der 61-Jährige einen Sommer lang den TV-Star hautnah bei der Arbeit. Das Fazit des Dessauers: "Erol Sander ist in seiner Rolle einfach authentisch. Er zeigt sich ruhig, souverän und diszipliniert, ist dazu sportlich und vor allen Dingen vielseitig talentiert."
Als "Winnetou" in dem Stück "Der Schatz im Silbersee" muss Sander in diesem Jahr von Juni bis September reiten, raufen sowie schießen - und dies alles perfekt. Doch während "Winnetou" durchgehend seiner Rolle als edler Apachen-Häuptling zweieinhalb Stunden treu bleiben darf, haben es Statisten wie Miguel Rodriguez ungleich schwerer. Mal muss er als Indianer mit Taktgefühl einen Büffel-Tanz hinlegen, mal mit viel Geschrei einen Angriff mimen, um dann blitzschnell in eine Soldatenuniform zu schlüpfen, um die Westernstadt "Sheridan" zu verteidigen.
Es ist ein schweißtreibender Urlaubs-Job. "Aber es macht Spaß", sagt der gebürtige Kolumbianer, der seit 1976 in Dessau lebt, jetzt in der Amalienstraße wohnt und Spanischkurse gibt. Er selbst bezeichnet sich als "Lebenskünstler", der sich mit seinem Engagement in Bad Segeberg, wo seit 1952 die Karl-May-Festspiele gefeiert werden, einen Traum erfüllt hat. Schließlich fließt echtes Indianerblut in seinen Adern, vererbt aus der mütterlichen Linie.
Nach dem Motto "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" kommt er - trotz seiner 61 Jahre - als einzige echte Rothaut zwischen all den rotgeschminkten Bleichgesichtern auch mit den Strapazen in der Bad Segeberger Kalkberg-Arena bestens klar. Denn bei Sonnenschein herrschen dort schnell tropische Temperaturen. Für Weichlinge indes war im Wilden Westen nie Platz, auf Bad Segebergs 7 500 Zuschauer fassender Freilichtbühne ist das jetzt nicht anders. "Es gibt schnell mal blaue Flecken, Beulen und Schrammen, aber das gehört nun mal bei solch einem Spiel dazu", so Rodriguez. Als Lohn winken ihm nicht nur ein paar Euro Statistengage, sondern auch der Applaus der Massen.
"Es ist ein irres Gefühl, wenn ein paar Tausend Leute auf einen blicken und sich von den spannenden Szenen mitreißen lassen", erzählt Rodriguez. 200 000 Zuschauer haben die Veranstalter in diesem Sommer schon gezählt. Am 16. August bekam die neunjährige Marilene einen kleinen Goldschatz überreicht. Weitere 40 000 Zuschauer werden bis zum Spielzeitende am 7. September leicht hinzukommen. Eine gute Bilanz, die in erster Linie den großen Stars des Stücks wie Erol Sander, Martin Semmelrogge und Dorkas Kiefer zu verdanken ist, aber auch den rund 70 Statisten, ohne die solche Gesamtleistung nicht möglich wäre.