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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Unkraut zupfen mit Schweißerpass

Von HEIDI THIEMANN 10.11.2010, 19:53

DESSAU/MZ. - "Du bist gut, wir übernehmen dich." Oft hat André Bortfeldt den Satz gehört. Doch wenn es ernst wurde und der junge Mann nach dem Praktikum fragte, wie es denn aussieht mit einer Arbeitsstelle, da hätten die Firmen abgewunken.

Bei der nächsten Absage stehe für ihn fest: "Aus. Schluss. Vorbei." Die Motivation ist am Boden. Bei André Bortfeldt mit seinen 25 Jahren. Doch ist Hartz IV tatsächlich eine Perspektive? "Nein. Eigentlich nicht." Doch eine Perspektive möchte er eben gerne haben. Nur als früherer Sonderschüler glaubt er sich "ganz hinten".

Chance genutzt

Aber: Die 9. Klasse hat er geschafft und sich dann durchgebissen - mit Hilfe der Arbeitsagentur. Er hat ein Berufsvorbereitendes Jahr gemacht und anschließend eine Ausbildung zum Metallbauer. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Ausbildung bekomme", blickt er zurück und ist froh, "denn die Agentur wollte mir eine Chance geben". Nicht nur den Abschluss hat er in der Tasche, sondern auch zwei Schweißerpässe: MAG und WIG. 2008 bzw. in diesem Jahr hat er sie abgelegt. "Ich kann", erzählt er stolz, "nun auch Edelstahl schweißen." Zur Zeit aber zupft er Unkraut. In einer Entgeltmaßnahme pflegt er Grünanlagen. Und André Bortfeldt sieht das nicht ein. "Hier kann ich ja nicht anwenden, was ich gelernt habe", sagt er trotzig. Aber nicht zur Arbeit gehen, kommt andererseits auch nicht in Frage. Denn dann werden die Leistungen gekürzt, und noch weniger Geld in der Tasche will er auch nicht haben.

Seit einem Jahr steht er auf eigenen Beinen, wohnt in der eigenen Wohnung. Der Anfang - weil ohne Mobiliar und mit Heizungsproblemen bei minus 20 Grad im Winter - war schwer. Alleine zurechtzukommen, ist täglich eine Herausforderung. In der Vergangenheit, gibt es offen zu, habe er oft Mist gebaut. Statt den Führerschein zu machen, hat er das Geld für Alkohol ausgegeben. "Jetzt sehe ich ein, dass das ein Fehler war." Denn mobil ist der 25-Jährige dadurch nicht. "Ich würde auch Montage machen. Die Frage aber ist, wie komme ich da hin."

Aber Arbeit, die sucht er. Im Moment ist noch eine Bewerbung offen in der Firma, in der auch sein Vater arbeitet. "Ich hoffe, dass das klappt." Denn Arbeit bedeutet, eigenes Geld verdienen. "Ich kann was leisten und ich kann mir was leisten", sagt der 25-Jährige. Den Führerschein wolle er als allererstes machen und seine kleine Tochter unterstützen. Sie ist sechs Monate alt und lebt bei seiner "Ex". Aber auch die ehemalige Freundin soll sehen, "dass ich mich anstrenge". Und die kleine Tochter ist es auch, die ihn hält in Dessau. Vielleicht wäre er sonst schon fort...

Mobilität gefragt

Markus Behrens ist froh, dass André Bortfeldt nicht weg ist. Denn Fachkräfte sind in der Region gefragt, sagt der Chef der Arbeitsagentur. In naher Zukunft noch mehr als heute. Warum es bei dem 25-Jährigen aber nicht mit Arbeit klappte, kann er nicht sagen. "Die Agentur kann persönliche und fachliche Kompetenzen auf ein aktuelles Niveau bringen, doch die Arbeitssuchenden müssen selber in die Verantwortung." Und das heißt auch mobil sein, selbst alle Möglichkeiten ausschöpfen. "Wir haben genügend Geschäftsführer, die eine soziale Einstellung haben", sagt Behrens. Also Geschäftsführer, die auch leistungsschwachen Schülern eine Chance geben.

Mitunter aber scheitere eine Einstellung an der Persönlichkeit, so die Erfahrungen der Agentur-Mitarbeiter in der Vergangenheit. Hier kann die so genannte assistierte Vermittlung helfen, Schwächen abzubauen, Hürden zu überwinden. Wenn die Bereitschaft der Jugendlichen da ist, sieht Behrens große Chancen. Auch für André Bortfeldt.