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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Sanierung der Dorfkirche in Neeken geht weiter

Von silvia bürkmann 07.08.2012, 17:39

neeken/MZ. - "Mann-oh-Mann" hätte wohl die ältere Generation kopfschüttelnd gemurmelt, die Jüngeren das englische "Wow" als Ausdruck ihrer Bewunderung ausgerufen. "Wir waren einfach nur baff. Und sprachlos", so erinnert sich Dietmar Sauer an seinen ersten Eindruck, als sich 2007 die Pforte zur Besichtigung des Neekener Gotteshauses öffnete.

Der Geschäftsführer von DS Architects aus Köthen betritt eine Dorfkirche, wie es in der Region etliche gibt. Der freischaffende Architekt blickt hinter der Feldsteinfassade in eine Schatzkammer barocker Ausstattung, wie es sie in der Region nur hier in Neeken gibt. Original und nahezu in Gänze erhalten. Erblickt den Altar mit Kniebrett, die Kanzel auf der gedrehten Säule mit Zierelementen und Kapitell, die vierseitig umlaufenden Emporen, die Logen, das Gestühl, die geschnitzten Engelfiguren mit Palmwedeln und den glänzenden Waffenschild. Diesen Schatz zu bewahren, sieht der Fachmann gleich auf den zweiten Blick, ist eine Herausforderung.

Ihr stellt sich die Evangelische Landeskirche Anhalt mit ihrem Vorhaben zur denkmalgerechten Instandsetzung und Restaurierung der Neekener Kirche.

In drei Bauabschnitten

Das Vorhaben ist ein großes. Zeitaufwendig und kostspielig. Nur zu bewältigen in einzelnen Bauabschnitten. 2008 konnte der erste auf den Weg gebracht werden und die Trockenlegung des über 700 Jahres alten Bauwerkes starten. Niederschlagswasser hatten über die Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte Außenwände und Fußboden enorm mit Feuchte belastet. Drainageleitung und Sickerschacht stoppten ab 2009 / 10 die Vernässung. Der Trockenlegung Dauer zu geben, schloss sich 2010 / 11 der zweite Bauabschnitt an - die Dachsanierung.

Für die Leistungen der ersten beiden Bauabschnitte hat Kirchenbaurätin Konstanze Förster-Wetzel bereits Rechnungen über 13 000 Euro (Trockenlegung) und 74 000 Euro (Dach) in ihren Unterlagen. "Doch jetzt kommt der richtig große Brocken, die Instandsetzung des barocken Innenraumes mit seinen Ausstattungsstücken." Der dritte Bauabschnitt schlägt mit rund 200 000 Euro zu Buche.

Geheimnisvolle Gruft

Jetzt sind die Handwerker und Kunsthandwerker im Innenraum gefragt vom Boden bis unters Dach. "Eigentlich geht es bis unter den Boden", macht Projektleiter Klaus Schrader von DS Architects neugierig. Denn bei den vorbereitenden Untersuchungen im Frühjahr 2012 hatten die Planer eine Gruft entdeckt, die bislang nicht in den Baubeschreibungen und Akten dokumentiert war: Im Boden unter der Herrschaftsloge an der Kirchenostseite war eingestürztes Gewölbemauerwerk gefunden worden. Und eine Gebeinkiste. Die Existenz einer Gruft war in der Kirchgemeinde und im Dorf nicht bekannt, schütteln Pfarrer Jürgen Tobies und Ortsbürgermeister Gunnar Johannes fast synchron die Köpfe. "Jede Kirche hatte irgendwo ihren Geheimgang - zum Gutshaus oder zum Marktplatz. Aber belegt ist nichts", so Tobies. Auch nicht darüber, welcher Person die Gebeine zugeordnet werden können. "Das wäre ja die reine Spekulation."

Die Gruft baulich zu sichern aber ist realer Auftrag im Maßnahmepaket "3. Bauabschnitt Innenrauminstandsetzung". Das Gewölbemauerwerk ist zu sichern und neu zu verfugen, die Gebeine in eine zu fertigende Gebeinkiste umzubetten und der Zugang mit Dielenbrettern in der unteren Herrschaftsloge zu schließen. Die Gruft ist kein Geheimnis mehr.

Die weitere Innenrauminstandsetzung umfasst eine große Palette. Die Fußbodenplatten sind aufzunehmen, aufzuarbeiten und neu zu verlegen, die Sockel der Emporenstützen sind aus Kalkstein nachzufertigen und gegen aufsteigende Feuchtigkeit abzudichten, Leitern, Stiegen und Treppen zu Empore und Loge aufzuarbeiten.

Zu restaurieren bleiben dann auch noch die Logen und Emporen selbst, die Kanzel, der Altar und das Gestühl. "Sehr sensibel und mit leichter Hand" wollen die Restauratoren zu Werke gehen, um den einmaligen Charme der Neekener Kirche zu erhalten, wie Dietmar Sauer sagt. Erfahrene Fachleute stehen zur Seite. Die Steinmetzarbeiten laufen unter der Regie von Kurt Lehmann aus Köthen, die Holzsanierung übernimmt Rainer Schmidt aus Erfurt, die Farbgebung obliegt Angela Günther aus Dessau, mit den Wandflächen beschäftigen sich Catharina Schüßler und Michael Sämann aus Potsdam.

Viel Arbeit für viele Helfer

Und natürlich ist die kostbare Ausstattung zu reinigen, behutsam mit weichen Fegern, Saugern und Schwämmen von losem Schmutz zu befreien. Der sammelt sich an. Bevor am Montag die Gerüstbauer zum Zuge kamen, waren elf Eimer Schmutz beseitigt.

Im Finanzierungsplan steuern die Landeskirche und Kirchgemeinde 47  500 Euro Eigenmittel bei. Für die Restaurierung des während der Sanierung ausgelagerten Kunstgutes werden nach wie vor Paten gesucht. Zur Zwischenfinanzierung ging die Landeskirche bereits mit 20  000 Euro in Vorleistung. Eine große Finanzspritze kommt auch vom Bundes-Sonderprogramm Denkmalschutz (77 000 Euro). Auch Lotto-Toto steuert Zuwendungen von 45 000 Euro bei. Die Kirchbaustiftung ist mit 10 000 Euro im Boot.