Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Mit den Füßen abstimmen
DESSAU/MZ. - "Es wird höchste Zeit, dass wir alle mit den Füßen abstimmen und am Samstag durch Anwesenheit auf dem Marktplatz unsere Ablehnung gegenüber dem rechten Gedankengut zeigen", sagt Olaf Braun, Stadtwehrleiter der Freiwilligen Feuerwehren Dessau-Roßlaus. Denn "die geistigen Enkel derer, die den vernichtenden Bombenangriff vom 7. März 1945 zu verantworten haben, treten am 12. März die Opfer mit dem so genannten Trauermarsch verhöhnend mit Füßen".
Braun gehört zu den Bürgern, die gemeinsam mit dem Netzwerk Gelebte Demokratie und demokratische Parteien, den Kirchen sowie Bildungsvereinen unter dem Motto "Gelebte Demokratie statt brauner Ungeist" zu zahlreichen Aktionen am Sonnabend aufgerufen haben. "Der Protest richtet sich gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten, die an diesem Tag durch die Stadt marschieren wollen, um ihre menschenverachtenden Parolen zu verbreiten, die Opfer des Nationalsozialismus zu verhöhnen und damit die Verbrechen der NS-Zeit zu leugnen oder zu relativieren", heißt es im Aufruf.
"Der 7. März 1945 ist der schwärzeste Tag in der langen Geschichte der Stadt Dessau", erinnert der Chefarzt des Städtischen Klinikums Christos Zouboulis an die Bombardierung durch die Alliierten, in deren Folge Dessaus Innenstadt fast vollständig zerstört wurde. Zouboulis schlussfolgert: "Wer die Wiederholung solcher Gräueltaten vermeiden möchte, muss für Frieden und Demokratie arbeiten. Den besten Schutz für die Demokratie bieten politisch gebildete und interessierte Bürger." Leider nehme die Öffentlichkeit das besonnene demokratische Verhalten der demokratischen Mehrheit nicht wahr, sondern sucht die Sensation, lässt sich vom Schreien antidemokratischer Minderheiten beeindrucken, bedauert der Professor. Doch Demokraten müssten legal auftreten und dürften sich nicht von den Extremen, rechts und links, provozieren lassen.
"Am Bahnhof, in der Zerbster Straße, an der Friedensglocke, an der Museumskreuzung und wo immer ich Gesicht zeigen kann", will Karin Hildebrandt von der Deutschen Angestellten-Akademie "friedlich mit hoffentlich vielen Dessauern" gegen den Aufmarsch der NPD in Dessau demonstrieren. "Ich möchte der NPD mit ihren menschenverachtenden Parolen nicht widerstandslos die Stadt überlassen", begründet sie ihre Teilnahme.
Rassismus sei kein Randthema, betont Ali Bekir von der Pizzeria Highway. "Immer wieder kommt es auch in Dessau-Roßlau zu Diskriminierungen." Mit dem friedlichen Zug der Meinungsäußerung soll ein Zeichen gegen jegliche Art von Diskriminierung gesetzt werden, erklärt Ali Bekir, der jeden einlädt, der in einer demokratischen Gesellschaft, die für Toleranz, Menschenrechte und Gleichberechtigung steht, leben will. "In Dessau-Roßlau gibt es keinen Platz für Dunkelheit. Wir leuchten dagegen. Kommt zur Demo!", wirbt er um das Dabeisein auf dem Marktplatz "in unserer bunten Mitte".
Auch Edith Straßburger ist es wichtig, am Samstag "für eine tolerante und offene Gesellschaft auf die Straße zu gehen". Seit über elf Jahren engagiert sie sich beim "Offener Kanal" dafür, dass Bürgerinnen und Bürger in Dessau-Roßlau das lokale Fernsehen mitgestalten und hier ihre Meinung veröffentlichen können. Dabei gilt für sie: "Es gibt keine unwichtigen Themen, und: jeder Einzelne ist wichtig." Vielfalt im Alltag und in den Medien bedeutet für sie, vielen unterschiedlichen Menschen zu begegnen und Zugang zu vielseitiger Information und Kultur zu haben.
"Gerade wir als Deutsche dürfen nie wieder zulassen, dass nazistisches Gedankengut auf fruchtbaren Boden fällt", betont die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums Bärbel Schärff, die darin "unsere historische Verantwortung" sieht. "Der 7. März gehört dem Gedenken an die Opfer und darf nicht für den Wahlkampf der NPD missbraucht werden."