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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Ist der nächste Sargnagel schon in Arbeit?

Von ANNETTE GENS 03.06.2011, 16:22

KÖNIGENDORF/MZ. - Fassungslos steht die Gruppe vor der Ruine, die einst ein Jagdschloss war. Beim Anblick macht sich Unmut breit. Einer meint, es sei Absicht, was mit dem Jagdschloss Königendorf passiere. Vor mehr als einem Jahr sei das Dach noch in Ordnung gewesen. Im Herbst 2010 habe er bemerkt, dass einige Dachsteine gezielt herausgenommen worden sein müssen. Auch an einer Stelle, an dem sich im Untergeschoss der Saal mit gewölbter, als Hängewerk konstruierter Bretterdecke befindet. "Die wollen, dass der Ort bald Geschichte ist." Dass das Dach noch immer nicht dicht ist und Regen ungehindert zur Fäulnis der Balken und Bretter beitragen kann, unterstreiche seine These. Gemutmaßt wird in der Gruppe vieles, und auch das: "Die haben Königendorf längst abgeschrieben und warten darauf, es abreißen zu können."

Das Jagdschloss Königendorf ist das Trauerspiel unter den Forst-, Tor und Jagdhäusern in der Mosigkauer Heide. 1904 als Jagdschloss durch Hofbaurat Georg Böttger auf Veranlassung Herzog Friedrich II. von Anhalt-Dessau errichtet, soll das Areal bis 2003 in gutem Zustand gewesen sein. So jedenfalls, dass Haus und Gelände eine Perspektive hatten. Dann kam der entscheidende Schnitt. Sachsen-Anhalt brauchte Geld, verkaufte über die landeseigene Immobiliengesellschaft Limsa auch Königendorf, das fortan dahinvegetierte. Das Land sieht sich in all den Jahren auch nicht in der Verantwortung, obwohl es bis zum Mai dieses Jahres laut Grundbuchauszug Eigentümer war.

Limsa erfüllt Auflagen

Als Anfang April 2011 das städtische Bauordnungsamt der Limsa Auflagen schickt, das Objekt zu sichern, wird aus Magdeburg umgehend reagiert: "Aufgrund der Verfügung des Bauordnungsamtes Dessau erfolgten zur Abwendung von Gefahren gegenüber dem Landesbetrieb Bau die Information über die Notwendigkeit einer dringenden Verkehrssicherungsmaßnahme", erklärt Rotraut Schulze von der Pressestelle des sachsen-anhaltischen Finanzministeriums auf Nachfrage der MZ. Der Umfang der erforderlichen Sicherungsarbeiten sei dann in einer gemeinsamen Ortsbegehung mit dem Leiter des Bauordnungsamtes Dessau  und den Vertretern des Landesbetriebes festgestellt worden. Bei den nun folgenden Arbeiten wurden eine Reihe von Schächten auf dem rund 3,1 Hektar großen Areal endlich so gesichert, dass niemand hineinfallen kann. Bislang waren diese aus Beton-Brunnenringen bestehenden tiefen Löcher lediglich mit etwas Reisig überdeckt. Wer unbedarft übers Gelände ging, hätte Verletzungen riskiert.

Christian Meister, Leiter des städtischen Bauordnungsamtes, weiß auch, dass im Zuge der von der Limsa veranlassten Arbeiten die restlichen Scherben der Fenster am Schlösschen herausgebrochen wurden, damit auch dort niemand Schaden erleiden kann. Und die Türen sind inzwischen fest vernagelt worden, "so dass Fremde eigentlich keinen Zutritt mehr haben dürften." So hat Meister das Areal am 19. Mai bei der Bauabnahme noch gesehen. Eine Woche später jedoch sind zwei der drei Zugänge zum Blockhaus wieder aufgebrochen.

Die Initiative der Limsa scheint die letzte für Königendorf gewesen zu sein. Denn nach der Aufforderung des Bauordnungsamtes wurde überraschender Weise der letzte Schritt der Eigentumsübertragung vollzogen. Am 16. Mai erfolgt beim Notar die Umtragung im Grundbuch, die seit Verkauf 2003 nicht vollzogen war, weil es die Erwerberin unterließ, "nach der Bezahlung des Kaufpreises eine Trennvermessung der Liegenschaft zu beauftragen". Nach den Vermessungsarbeiten wurde Schilderungen des Finanzministeriums zufolge "seitens der Erwerberin wiederum erst nach überlanger Frist die Anerkennung dieser Arbeiten erteilt". Nach Auffassung des Verkäufers (Limsa) habe sie vertraglichen Mitwirkungspflichten zum Vollzug des Kaufvertrages in erheblicher Weise verletzt. Die Schlussfolgerung des Ministeriums allerdings endet nicht im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit einem Denkmal, wie es Königendorf ist. Denn bis zum 16. Mai hatte das Land in Königendorf rein rechtlich noch den Fuß in der Tür - den man nach erfolgter städtischer Auflage offensichtlich schnell von der Schwelle genommen hat.

Fragwürdige Antwort

Auf die Frage, weshalb Königendorf seinerzeit beispielsweise nicht der Dessau-Wörlitzer Kulturstiftung angeboten wurde, heißt es: die Übertragung an ein Stiftungsvermögen hätte einen "entsprechenden Erwerbswunsch voraussetzen müssen". Ein derartiger Wunsch wurde aber weder von dieser, noch von anderen Stiftungen geäußert, obwohl die Liegenschaft mehrfach öffentlich zum Verkauf angeboten wurde. Kein Wort darüber, dass die hiesige Kulturstiftung selbst am Tropf des Landes hängt und sich ohne dessen finanzielle Hilfe keinen Neuerwerb leisten kann.

Wie weiter mit Königendorf? Bauordnungsamtsleiter Christian Meister kündigt aus denkmalschutzrechtlichen Aspekten weitere Auflagen an, die die Stadtverwaltung nun an die Eigentümerin, einer Frau aus dem Raum Halle, erteilen will. Das Dach des Jagdschlosses, sagt er, muss unbedingt in Ordnung gebracht werden. Damit zumindest die Chance bestehe, Teile des historischen Gebäudes weiterhin zu erhalten. Ob damit Königendorf über die nächsten Monate gerettet wird, ist jedoch fraglich. Denn die Gesetze lassen auch Besitzern von Denkmalen einigen Spielraum. Kann die Herrin von Königendorf nachweisen, dass sie finanziell nicht in der Lage ist, die Auflagen zu erfüllen, was dann? Das Landesdenkmalgesetz gäbe diesen Spielraum her. Denn ""Erhaltungsmaßnahmen können nicht verlangt werden, wenn die Erhaltung den Verpflichteten unzumutbar belastet. Unzumutbar ist eine wirtschaftliche Belastung insbesondere dann, wenn die Kosten der Erhaltung nicht durch die Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals aufgewogen und andere Einkünfte des Verpflichteten nicht herangezogen werden können." Tritt dieser Fall ein, so könnte es sein, dass der nächste Sargnagel für dieses Grundstück in der Mosigkauer Heide geschmiedet wird.