Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: «Ich bringe Menschen dazu, falsch herum zu fliegen»
DESSAU/MZ. - Lediglich mit dem Segelflugzeug durch die Winde über Dessau-Roßlau zu gleiten, wird Rolf-Dieter Peters schnell zu langweilig. Der Hobby-Pilot bringt seinen Flieger viel lieber mit Gewalt dazu, dass dieser in mehr als Tausend Meter Höhe über Dessauer eben nicht mehr fliegt.
Enorme Fliehkräfte
In der Senkrechten katapultiert sich Peters im Gleiter nach oben, bis dieser eine Zeit lang kerzengerade in der Luft stehen bleibt und irgendwann zur Seite wegkippt. Es vergnügt Rolf-Dieter Peters, sobald sich sein Flieger überschlägt oder um die eigene Achse dreht, so dass er mit dem Kopf nach unten weiter vorwärts kommt. Bei manchen der Kunstflug-Figuren entstehen Fliehkräfte, die ein fünffaches schwerer sind als die Erdanziehungskraft - und das alles geschieht ohne die Hilfe eines Motors.
Etwa sechs Figuren gehören zum Grundprogramm eines jeden Segelkunstfliegers. "Es macht einen Heiden-Spaß", sagt Peters. Der Spaß ist dabei zugleich auch Herausforderung. "Wer Kunstflug kann, beherrscht die Maschine besser." Es mache weniger Probleme, in Turbulenzen zu geraten. Als Kunstflugpilot wisse man am besten, wie das Flugzeug mühelos abgefangen werden könne.
Seit acht Jahren besitzt Peters die Lizenz, sich und sein Segelflugzeug an die Belastungsgrenze zu bringen. Damals sei er neugierig gewesen, was so ein Segelflugzeug noch alles kann - außer zu fliegen. Einmal im Jahr - wie vergangene Woche bei der sechsten Kunstflugwoche der Segelflieger auf dem Dessauer Flugplatz - frischt Rolf Dieter Peters seine Fähigkeiten und Fertigkeiten wieder auf. Eigens angereist kommt dafür ein Fluglehrer aus dem nordrhein-westfälischen Oerlinghausen.
"Ich bringe Menschen dazu, falsch herum zu fliegen", sagt Holger Schinkel stolz und schmunzelt. Etwa 60 Schüler betreut er im Jahr. "Die Kunstpiloten hier in Dessau haben alle bereits den Kunstflugschein in der Tasche und sind erfahren", meint Schinkel. Dennoch hebt er mit jedem der fünf Dessauer Kunstflugpiloten etwa acht Mal gemeinsam ab. Erst dann seien deren Reflexe für die Figuren einwandfrei geschult. "Wenn man mit dem Kopf nach unten unterwegs ist, muss man beispielsweise beachten, dass der Steuerknüppel auch umgedreht bedient werden muss", erklärt der Profi.
Erst wenn Flugschüler und Fluglehrer der gleichen Meinung sind, der Schüler beherrsche die Figuren, steige der Lehrer aus. Angst davor, dass einer der Schützlinge in luftigen Höhen kurz vor dem Abfangen der Maschine, die Richtung Erde stürzt, panisch wird oder gar vergisst, den Steuerknüppel richtig zu führen, hat Schinkel nicht. "Mich bedrückt eher, ob ein zweites Flugzeug plötzlich auftauchen und es zur Kollision kommen kann", sagt der groß gewachsene Mann. Respekt fliege allerdings immer mit, Respekt vor der Höhe und den Naturerscheinungen.
Doch dass sich Flugzeuge während der insgesamt 105 Starts in der letzten Woche kreuzen, hält Hans-Georg Landes vom Segelfliegerclub der Stadt von vornherein für ausgeschlossen. "Wir haben bei der Deutschen Flugsicherung in Bremen unseren Kunstflugbetrieb angemeldet." Dort habe man für die Zeit den Luftraum über dem städtischen Flugplatz abgesperrt. Vorstellen müsse man sich die so genannte Kunstflugbox wie einen Zylinder, der 1 200 Meter über dem Flugplatz in den Himmel ragt. In dieser Zone dürfen in der Zeit nur die Dessauer Segelflieger fliegen.
Mit der Kunstflug-Woche endet auch die Dessauer Segelflugsaison, in der 800 Starts und 485 Stunden Segelflug absolviert wurden. Gemessen an der in der Luft zurückgelegten Strecke sei diese Saison, so Landes, die erfolgreichste seit Bestehens des Vereins gewesen: Insgesamt haben allein elf der 40 Piloten von Mai bis Oktober mehr als 12 000 Kilometer Streckenflug im Segelflieger zurückgelegt. Der längste Flug, den ein Vereinsmitglied in diesem Jahr zurückgelegt hat, dauerte etwa neun Stunden, erzählt er.
Hochsommer macht alles wett
"Die Saison ist besser geworden, als wir alle anfangs dachten", bilanziert Hans-Georg Landes, Sprecher der Segelflieger. Hatte im Frühjahr das schlechte Wetter den Start um Wochen verzögert, konnte im Hochsommerwetter einiges wieder wettgemacht werden. Im kommenden Winter werden Flugschüler wieder samstags im Hangar sitzen und Theorie der Fliegerei büffeln, die Mitglieder ihre Flugzeuge warten und reparieren, bevor es im Frühjahr wieder in die Luft geht.