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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Eine Stadt hebt ab

Von CHRISTIAN SCHAFMEISTER 02.09.2010, 18:37
Französische Künstlergruppe «La Machine» ist mit mysteriösem Flugobjekt in Dessau-Roßlau gelandet. Großes Interesse an Inszenierung. (FOTO: ANDREAS STEDTLER)
Französische Künstlergruppe «La Machine» ist mit mysteriösem Flugobjekt in Dessau-Roßlau gelandet. Großes Interesse an Inszenierung. (FOTO: ANDREAS STEDTLER) CARDO

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Ein Gerippe aus Stahl, an dem alte Leuchtstoffröhren und Grün-Pflanzen hängen, einige Kabel, Propeller und Ballons an der Spitze: So präsentiert sich das Flugobjekt Aeroflorale II, das seit Donnerstag auf dem Markt in Dessau steht. Und die Inszenierung der französischen Künstlergruppe "La Machine", die 2009 mit übergroßen Marionetten schon in Berlin für Furore sorgte, zieht auch in Dessau-Roßlau die Menschen in ihren Bann. Viele haben auf dem vollen Markt zunächst aber nur eine Frage: Kann Aeroflorale II wirklich fliegen? Natürlich nicht! Und die Installation ist selbstverständlich auch nicht eingeflogen, sondern wurde im Dessauer Technikmuseum gebaut. Und dennoch geben die Franzosen der Illusion der Leute reichlich Nahrung.

"Klopfen sie an die Träger, innen hohl und deshalb ganz leicht", erklärt Besatzungs-Mitglied Emmanuel Bourgeau. Gesteuert würde das Luftschiff mit den Propellern, "auch wenn es über dem Atlantik schon etwas windig war", betont der Franzose mit einem Augenzwinkern. Und was gibt es für die Crew zu essen? "Wir bekommen nur Gemüse, richtig kochen können wir nicht", erklärte Bourgeau. "Das ist mit unseren Gasballons viel zu gefährlich."

Mit Witz und Charme, aber auch mit ihren eigentlichen Botschaft bringt "La Machine" die Leute in Dessau schnell auf ihre Seite. "Der Ansatz ist faszinierend und macht richtig neugierig, ich kommen daher bestimmt noch einmal wieder", erklärt Gisela Jaretz, die eine der ersten Neugierigen auf dem Markt ist. "Wir wollen, dass die Menschen drüber nachdenken, was einmal möglich werden könnte", erklärt Marie Saunier, Chefin der Crew. Dazu werden vor Ort "Versuche" vorgeführt. Uhren etwa, die über ein Kabel mit der Energie aus einem Pflanzenblatt versorgt werden. Oder auch der Komposthaufen, dessen Gas direkt in die Ballons von Aeroflorale II fließt. "Wir wollen die Menschen mit den Experimenten keinesfalls auf den Arm nehmen", sagt Marie Saunier. "Sie sollen vielmehr sensibilisiert werden für einen vorsichtigen Umgang mit der Natur." Dies mit Witz und etwas Selbstironie zu machen, sei das "Mittel unserer Gruppe".

Und so haben die Menschen in Dessau von der Reise des mysteriösen Flugobjektes in ihre Stadt das erste Mal am 9. August in einem "Funkspruch" erfahren. Darin kündigte die Besatzung zunächst an, "seltene und unbekannte Pflanzen aus verschiedenen Klimazonen" zu suchen. Die Forscher hofften insbesondere in Dessau "auf besonders überraschende Ergebnisse". Die Voraussetzungen seien sehr günstig, die Stadt sei "für ihre außergewöhnlichen Gartenanlagen immerhin schon weltberühmt", erklärten die Forscher.

Eingetroffen sind die Funksprüche in den letzten Tagen bei der Stiftung Bauhaus, die das Projekt mit der Stadt und der Hochschule Anhalt in die Wege leitete. "Diese Nachrichten waren bereits Teil der Inszenierung", sagte am Donnerstag Andreas Kühnlein, Sprecher der Stiftung Bauhaus. Zum Kunstprojekt, das Teil des Dessauer Farbfestes ist, gehörte allerdings auch, dass selbst die Verantwortlichen in der Stiftung immer nur häppchenweise über die Details informiert worden sind. "Wir mussten teilweise richtig darum kämpfen, neue Einzelheiten zu erfahren." Doch auch die wenigen Informationen, die in der Stiftung eintrafen, wurden oft zurückgehalten. "Wir wollten das Geheimnis rund um 'La Machine' auch wahren, und das hat gut geklappt", sagte der Sprecher.

Nun aber, nach der Landung auf dem Markt, sollen die Menschen eingebunden werden. Bereits am 24. August erging in einem Funkspruch der Appell an alle Bürger, "selbst Ausschau nach seltenen Pflanzen zu halten und entsprechende Exemplare aus ihren Gärten für die Wissenschaftler bereit zu halten." Für Marie Saunier ist das der Kern des Projektes. "Die Geschichte wird von den Wissenschaftlern zusammen mit den Menschen geschrieben", sagt sie. "Wir als Künstler stehen nicht auf einer Bühne, sondern die ganze Stadt ist ab sofort eine Bühne."

Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos) freut sich nun wie viele andere "auf eine wahnsinnig gute Performance". Und viele Dessauer sind schnell mit dem Humor der Franzosen aus Nantes klar gekommen. "Die Blumenkästen habt ihr sicher über Grönland drangehängt", rief eine ältere Dame der Besatzung zu.