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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Auf Spurensuche in der Bauhaussiedlung

Von HEIDI THIEMANN 03.08.2011, 18:01

DESSAU/MZ. - Die Obstkisten im Laden erinnern an den Konsum. Den gibt es zwar schon lange nicht mehr, aber der Name des Hauses - Konsumgebäude - steht unweigerlich für seine ehemalige Bestimmung. 1928 war der Bau, der Geschäft und Wohnen vereint, nach Plänen von Walter Gropius im Süden der Stadt errichtetet worden. Seit vier Wochen beherbergt er die neue Dauerausstellung über die Dessauer Bauhaussiedlung, die von 1926 bis 28 in der damaligen Gemarkung Törten (heute Dessau-Süd) entstand und in deren Mitte das Konsumgebäude steht. Die Schau erzählt, welche Ideen und Visionen es gab, gibt Einblick in die Baugeschichte der Siedlung mit Experimentalcharakter und das Leben der Bewohner. Zur Ausstellungsgestaltung im Laden wurden die Obstkisten genutzt.

"Es handelt sich zwar um eine Dauerausstellung", sagt Bauhaus-Mitarbeiterin Ursula Achternkamp, die die Ausstellung zusammentrug, "aber sie ist dennoch nicht fertig." Obwohl einige Forschungsarbeiten in der Siedlung liefen, gibt es noch vieles zu entdecken, erzählt Monika Markgraf, für Bauforschung und Denkmalpflege zuständige Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus. "Bislang wurden etwa nur wenige Siedlungshäuser auf ihre ursprüngliche Farbigkeit untersucht", sagt sie. "Uns interessiert aber auch das Leben in der Siedlung. Wo waren die Treffpunkte der Menschen?" Aber nicht nur den Siedlungshäusern gilt das Interesse, sondern auch dem Konsumgebäude selbst.

"Dass es hier drin noch so aussieht", zeigt Achternkamp auf scheinbar noch unfertig verputzte und gestrichene Wände, "hat mit Bauforschung zu tun, die noch nicht am Ende ist." Es geht bei der Forschung aber nicht nur um Baumaterialien und Bauteile, sondern auch um Fotos und andere Dokumente, verweist Monika Markgraf. "Wir wissen zum Beispiel nicht, wie es ihm Konsumgebäude 1928 ausgesehen hat. Wir haben noch nichts gefunden." Denn nicht Architekt Gropius war mit der Inneneinrichtung des Ladengeschäfts betraut, sondern die Konsumgenossenschaft hatte dies selbst übernommen.

Die Siedlung, wie die Bauhausbauten insgesamt, zu erforschen, ist wichtig, "weil das eine Grundlage ist, um zu verstehen, was sich Gropius gedacht hatte", sagt Markgraf. Denn um zu wissen, was verbessert werden kann, müsse man den Ursprung kennen, erklärt sie. Vieles ist von der ursprünglichen Qualität in der "Siedlung Törten" verloren gegangen. Zahlreiche Gründe hätten bis heute zu Veränderungen geführt, die etwa an Fenstern und Türen ablesbar sind.

Zur damaligen Zeit war die Siedlung mit ihren verschiedenen Bautypen ein Experiment, um auf die sich drastisch verschlechternde Wohnsituation zu reagieren, erinnert Markgraf. "Licht, Luft, Sonne war das Motto damals", erklärt sie, denn die Menschen lebten zuvor oft in engen Mietskasernen im Hinterhof. Zu erschwinglichen Preisen konnten sie nun ein Einfamilienhaus samt Garten erwerben.

Der Bau der Siedlung war durch die Reichsforschungsgesellschaft - weil Fördermittelgeber - begleitet worden. Daher gibt es eine umfangreiche Dokumentation, so die Denkmalpflegerin. Viele Jahre blieb die Siedlung dann unbeachtet. Inzwischen hat es durch die Stiftung Bauhaus zwei Forschungsprojekte gegeben. Zum einen hatte Andres Schwarting zu den "Bauhausbauten Dessau" promoviert und einen Schwerpunkt auf die Siedlung gelegt. Zum anderen wurde ein Bauforschungsarchiv aufgebaut. Viele Bauteile und Baumaterialien wurden zusammengetragen. Über 1 000 Stücke umfasst es, 265 stammen aus der Siedlung Törten - von Schlackebetonhohlkörpern, über Luxfer-Glasprismen bis zu Verteilerdosen und Schaltern. "Viele Bewohner wissen, dass wir solche Teile sammeln. Wir sind froh, dass wir sie aufbewahren können", freut sich Markgraf über diese Unterstützung. Und ein Teil der Archiv-Sammlung ist auch in der Dauerausstellung zu sehen. "Mit der Ausstellung und der Forschung wollen wir auf die Qualitäten der Siedlung aufmerksam machen", so die Denkmalpflegerin, die sich freut "dass es in der Siedlung noch einige gibt, die das Historische zu schätzen wissen". Denn nur wenige Häuser, wie etwa im Kleinring 5 und 42, Doppelreihe 35, Mittelring 38 und 90, zeigen (teilweise nach der Sanierung) noch das ursprüngliche Erscheinungsbild. "Wir erlauben uns aber kein Urteil darüber, wie die Leute leben sollen", fügt Achternkamp hinzu.

Die Ausstellung im Konsumgebäude soll nicht nur für Touristen aus dem In- und Ausland eine Anlaufstelle sein, sondern auch für die Bewohner der Bauhaussiedlung selbst. Sie soll zum Treffpunkt werden. Und vielleicht wächst durch diesen Treffpunkt auch der Materialfundus für das Bauforschungsarchiv weiter. Doch auch Fotos und Geschichten sind willkommen.

Die Dauerausstellung im Konsumgebäude, Am Dreieck 1, ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Jeweils um 15 Uhr wird eine Siedlungs-Führung angeboten.