Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Auf den Hund gekommen

Dessau/MZ. - Ein Freispruch? Eine Verurteilung? Niemand wusste, wie die zweite Strafkammer im Akener Hornhafenfall urteilen würde. Als möglich galt bei Prozessbeteiligten wie Prozessbeobachtern sowohl die eine wie die andere Entscheidung. Deshalb war es keine Überraschung, als Wolfgang R. wegen Tötung seiner Mutter zu vier Jahren verurteilt wurde. Ebenso wenig hätte ein Freispruch für Verwunderung gesorgt.
Selten liegen Freispruch und Verurteilung so eng beieinander wie in diesem Fall, bei dem sich ein Großteil der 23 Verhandlungstage vor allem mit Hunden beschäftigte. Denn Vierbeiner spielten in diesem Prozess eine herausragende Rolle. Es galt zu klären: Was können Personenspürhunde, auch Mantrailer genannt? Genauer: Was können die Mantrailer Susan Millers und Andrea von Buddenbrocks? Die beiden Damen kommen aus Nordrhein-Westfalen und werden seit Jahren immer wieder von der Polizei angefordert, um die Spur von Tätern aufzunehmen. Für ihren Einsatz in Aken 14 Tage nach der Tat erhielten sie ein Honorar von 2 400 Euro.
Überzeugt von Spürnasen
Polizei und Staatsanwaltschaft waren überzeugt, von Buddenbrocks und Millers Spürnasen hätten ausreichend Belege für eine Täterschaft R.'s geliefert. Doch die im Prozess gehörten Sachverständigen äußerten massive Zweifel an der Seriosität der Ergebnisse. Nicht zum ersten Mal, ähnliches passierte bereits in anderen Prozessen. In der Mantrailer-Szene sind von Buddenbrock und Miller ohnehin verrufen, nicht zuletzt weil sie behaupten, ihre Hunde fänden noch nach Jahren Spuren.
Die Skepsis hat inzwischen auf verschiedene Innenministerien und Polizeien übergegriffen - sie haben den Einsatz privater Man-trailer schlicht untersagt und deren Einsatz teilweise auf die Zeit zwei Tage nach der Tat begrenzt. Bis heute gibt es keinerlei wissenschaftliche Beweise, dass Hunde noch nach Wochen und Monaten Spuren verfolgen können - geschieht es doch, wäre es deshalb ebenso angemessen, Wünschelruten bei der Verbrecherjagd einzusetzen und Kartenlegerinnen anzuheuern.
Allerdings hat bis heute der Bundesgerichtshof keine Korsettstangen für den Mantrailer-Einsatz eingezogen. Der Grund: Die so gewonnen Ergebnisse spielten bislang höchstens eine Nebenrolle in den Urteilen. Deshalb gab es für den BGH nichts zu entscheiden.
Aken hätte nun den Durchbruch bringen können - hätte die Kammer nicht zur allgemeinen Überraschung die Mantrailer-Beweise in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich links liegen gelassen und ihr Urteil auf Indizien gestützt, die gegen den Angeklagten sprechen. "Den von manchen erhofften Durchbruch in dieser Frage wird es nicht geben", kommentierte der Vorsitzende Richter Thomas Knief die Entscheidung der zweiten Strafkammer am Landgericht.
Das Vorgehen des Gerichts ist durchaus legitim - es muss nicht alle Beweise einbeziehen, um zu einer Verurteilung (oder einem Freispruch) zu gelangen. Denn die Strafprozessordnung sichert über die so genannte freie Beweiswürdigung den Richtern erheblichen Spielraum bei der Beurteilung und Wichtung von Beweisen zu.
Das heißt: Es kann durchaus Schlüsse ziehen, die sich aus den Beweisen nicht unbedingt zwingend und restlos widerspruchsfrei ergeben. Es muss in seiner Urteilsbegründung aber erklären, wie und warum es zu einer Einschätzung gelangt und warum für seine Vorzugsvariante eine hohe Wahrscheinlichkeit spricht.
Das sichert einerseits, dass in vielen Fällen überhaupt eine Verurteilung möglich ist - schließt aber Fehlurteile nicht aus, die, wie einige Fälle zeigen, manchmal erst nach Jahren korrigiert werden.
Nicht selten geht es aber auch recht fix, dass Urteile vom Bundesgerichtshof oder den Oberlandesgerichten aufgehoben werden. Nämlich regelmäßig dann, wenn die Argumentation der Tatrichter von der Revision nicht nachvollzogen werden kann.
Revision angekündigt
Ob das im Hornhafen-Fall so geschieht oder nicht, muss die Zeit zeigen. Die Verteidiger haben nach dem Urteil vorm Landgericht Revision angekündigt.