Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Angekommen in der Wahlheimat
leipzig/MZ. - Der Blick aus dem heimischen Fenster fiel in den vergangenen Tagen bei Oliver Schröter deutlich intensiver als sonst aus. Das gesteigerte Interesse galt dem Auto eines Paketlieferdienstes, dessen Ankunft Schröter sehnsüchtig erwartete. Es sollte bringen, worauf der 34-Jährige seit langer Zeit hingearbeitet hat: sein erstes eigenes Buch.
Serie eines Kölner Verlages
Ganz am Anfang stand eine berechtigte Frage. Ist ein Wahl-Leipziger aus Dessau der Richtige, um "111 Orte in Leipzig, die man gesehen haben muss", zu identifizieren und darüber ein Buch zu schreiben? Für den Kölner Emons-Verlag, der seit einigen Jahren die "111 Orte"-Serie erfolgreich für zahlreiche Städte und Regionen in Deutschland aufgelegt hat, war die Antwort klar: Vermittelt durch einen gemeinsamen Kollegen in Köln erhielt Schröter - freier Autor und Journalist - im vergangenen Sommer den Auftrag, die 111 ungewöhnlichsten, spannendsten und interessantesten Ecken der Messestadt zu erkunden und sie dann in Bild und Text vorzustellen. Für Schröter von Anfang an ein Traum und eine Herausfordrung zugleich. "Zu Beginn", sagt er ehrlich, "dachte ich, ich finde die nie."
Denn die Heimat des Familienvaters ist Dessau. Hier ist Schröter aufgewachsen, hat seine Jugend verbracht und seine berufliche Karriere gestartet. Unter anderem auch als freier Mitarbeiter für die Mitteldeutsche Zeitung und als Herausgeber des Monatsmagazins "leo". Doch zwischendurch: immer wieder Leipzig. Mitte der Neunziger ein kurzes Intermezzo als Student. Im Jahr 2003 der erste feste Job an der Pleiße. Und seit Sommer 2007 endgültiger Lebensmittelpunkt. "Ich nenne das eine On-off Beziehung", sagt Schröter über Leipzig, "doch das Buch hat noch einmal die Sicht verändert." Um die große "Tour der 111 Orte" zu bewältigen, hat er sie zunächst einmal in kleine Etappen geteilt.
"Zu Beginn habe ich mich mit vielen Leipzigern getroffen. Freunde, Bekannte, Kollegen", erzählt Schröter. Dabei entstanden die ersten Vorschläge. Knapp fünfzig Orte kamen zusammen., "Die meisten", sagt der 34-Jährige, "haben natürlich die Klassiker genannt." Völkerschlachtdenkmal, Thomaskirche, Gewandhaus. Aber auch die ersten Geheimtipps wurden preisgegeben. Schröter beschloss, alle bisherigen Ideen mit dem Fahrrad zu erkunden. Die Königsidee. "Auf dem Weg zu den Orten habe ich auf einmal hier und da noch ganz andere Dinge entdeckt. Kleines und Großes." Was immer er sah, hielt er mit der Kamera fest. Und recherchierte später die Geschichte dahinter. Aus vielen kleinen Mosaiksteinen entstand so das Bild einer Stadt, die auch abseits der bekannten Sehenswürdigkeiten viel zu erzählen hat. Die Brücke im Ortsteil Schleußig, auf der einst die "Fantastischen Vier" in ihrem Musikvideo zu "Die da" standen. Die kleine Kirche in Reudnitz, eine der Keimzellen der Montagsdemos im Herbst 1989. Die Parkeisenbahn am Auensee als Familienereignis.
Nächstes Buch in Arbeit
Zu definieren, was davon jetzt eigentlich dem Buchtitel "Orte, die man gesehen haben muss", entspricht, war für Oliver Schröter "natürlich schon sehr subjektiv." Einem Grundmuster aber folgt die Auswahl trotzdem. "Es sind Plätze, die einen Reiz besitzen, an denen man etwas hören, sehen oder erleben kann." Die sichtbar oder versteckt sind. Die eine Geschichte erzählen. Zwei Seiten sind jeweils für einen Ort vorgesehen. Foto und Umgebungstipp rahmen die jeweils exakt 1870 Zeichen Text ein.
Die kamen beim Kölner Verlag so gut an, dass Schröter mittlerweile sogar schon Auftrag Nummer zwei erhielt: Er darf nun die 111 spannendsten Orte in Sachsen zusammenstellen. Die Erfahrungen des ersten Buches haben dabei sehr geholfen. "Man muss sich vor Ort begeben, mit den Menschen reden und wird dann vieles entdecken", sagt Schröter, dem der Stolz anzumerken ist, nach vielen Jahren des Ausprobierens angekommen zu sein. Gemeinsam mit seiner Schwester Susan wird er zudem in den kommenden Wochen ein Kinderbuch veröffentlichen. Und eines Tages vielleicht die 111 interessantesten Orte seiner Geburtsstadt Dessau? "Fünfzig", sagt Schröter, "würden mir da sofort einfallen."