Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: 11.000 Euro für einen Hundebiss?
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Schon acht Jahre lebt Beagle Rufus in der Familie. Alle mögen ihn - und sein Tierarzt Uwe Ballinger kennt ihn als "über die Jahre völlig unauffälligen Hund, bei dem nie etwas passiert ist". Doch nun trägt Rufus die Bezeichnung gefährlich. Erteilt durch das städtische Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Beagle hatte eine Briefträgerin ins Knie gebissen - und wurde damit ein Fall für die Behörde, die ihn als gefährlich eingestuft hat.
Zu schnell eingestuft
"Viel zu schnell sei dies geschehen", meint Jürgen Krause, der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes des Deutschen Tierschutzbundes. "Es werden einfach alle Hunde als gefährlich angesehen, die einmal auffällig geworden sind", ist Krauses Erfahrung, der die Ursache dafür in der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz der Bürger vor gefährlichen Hunden sieht. "Es werden gar nicht die tatsächlichen Ursachen ergründet, warum ein Hund einen Menschen gebissen hat."
Natürlich sei das für den Betroffenen eine schlimme Sache, betont Krause. Eine schmerzhafte und manchmal auch langwierige. Das will er gar nicht bestreiten. Aber der langjährige Tierschützer fordert eben auch einen genauen Blick auf den Hund. "Wenn ein Hund das Grundstück bewacht, dann sieht er dies als seine Aufgabe an", erklärt Krause. Dazu könne dann durchaus auch das Beißen gehören, wenn auf das vorherige Abwehrverhalten des Hundes nicht reagiert worden sei. "Die Verteidigung liegt in der Natur des Hundes", meint Krause, egal ob das ein Schäferhund oder ein Shih Tzu sei. Bei Vorfällen sollte deshalb immer die Vorgeschichte mit hinzugezogen werden. Die müsse nicht mit der Person im Zusammenhang stehen, die dann ganz plötzlich einen Schaden erlitten hat.
Doch oft sei der Sachbearbeiter für Ordnungsangelegenheiten kein Spezialist für Tierangelegenheiten, meint Krause, der einst selbst im Ordnungsamt der städtischen Verwaltung in Wittenberg arbeitete. Deshalb betrachtet der Tierschutzbund-Vize die Übertragung der Begutachtung als Aufgabe an die Kommunen als einen Fehler im Gesetz. Er hätte diese lieber bei den Landkreisen gesehen, bei den Veterinärämtern zum Beispiel, die derzeit immerhin als Amtshilfe hinzugezogen werden könnten.
Im Dessauer Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung wird der Vorwurf bestritten, dass zu viele Hunde zu schnell als gefährlich eingestuft würden. Seit 2009, seitdem das Gesetz gilt, habe die Verwaltung für zehn Hunde die Gefährlichkeit festgestellt, sagt Sachbearbeiter Dirk Hofmeister. Dagegen stünden 20 bis 30 Vorgänge pro Jahr. Die Gefährlichkeit könne alle Hunde treffen, Schäferhunde wie Pudel, Terrier wie Doggen. "Das kann man nicht an der Rasse festmachen", betont Hofmeister. Oder am Alter. Eben auch einen achtjährigen Beagle.
Doch die vom Amtstierarzt zuerkannte Gefährlichkeit seines Beagles hat dem Hunde-Besitzer einen ziemlichen bürokratischen wie finanziellen Aufwand eingebracht. Denn auch ein gefährlicher Hund kann durchaus in seiner gewohnten Umgebung bleiben, wenn er einen Wesenstest besteht, sein Besitzer eine Sachkundeprüfung in Theorie und Praxis ablegt und eine Haftpflichtversicherung abschließt, der Hund gechipt wird und der Halter seine persönliche Zuverlässigkeit nachweist.
Der Beagle-Besitzer möchte seinen Hund behalten, hat bereits einen Termin für ein Vorstellungsgespräch zum Wesenstest.
Doch inzwischen sei der Vorfall für den Hundebesitzer existenzgefährdend geworden, konstatiert Tierarzt Ballinger. Von 3 500 Euro Schmerzensgeld spricht er, von 6 500 Euro für die Unfallkosten, von noch zu erwartenden Anwaltskosten, von Kosten für den Wesenstest und erhöhten Steuern.
Teurer Test
Letztere belaufen sich bei einem gefährlichen Hund auf 700 Euro. Der erhöhte Steuersatz könne dem Beagle-Besitzer allerdings wieder erlassen werden, sagt Hofmeister, wenn der Wesenstest ergibt, dass der Hund ohne Leine und Maulkorb geführt werden kann. Doch auch Wesenstest des Hundes und Prüfung der Zuverlässigkeit des Halters können sich nach Erfahrung von Tierschutzbund-Vize Krause von einigen Hundert Euro bis zu 1 000 auswachsen.
"Das Gesetz muss noch einmal überarbeitet werden", meint Krause. Er will seine Bedenken am Runden Tisch Tierschutz vorbringen. Für den Beagle-Halter wird es nichts mehr ändern.
Von den zehn bisher in Dessau-Roßlau als gefährlich eingestuften Hunden sind noch sechs bei ihren Besitzern, denen nach der gesamten Prozedur die Erlaubnis erteilt wurde, drei kamen ins Tierheim und einer wurde eingeschläfert.