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Dessau Dessau: In «Räuberzivil» in die Marienkirche

Von ILKA HILLGER 30.10.2009, 15:41

DESSAU/MZ. - Das Anhaltische Theater tut dies mit einer Talk-Runde "Jazz' n Talk - Show für Sachsen-Anhalt". Am kommenden Mittwoch, dem 4. November, ist sie erstmals um 20 Uhr in der Dessauer Marienkirche zu erleben. "Jazz und Talk für Toleranz" steht über dieser neuen Reihe, die Matthias Horndasch moderiert und die es viermal in dieser Theaterspielzeit geben wird.

Beim Auftakt sitzt Horndasch der Musiker Heinz Rudolf Kunze zur Seite. Taufrisch ist dessen neues Doppel-Album "Räuberzivil", gelobt von der Kritik, denn vereint es doch all jenes auf zwei CD, wofür Fans des frühen Kunze-Werkes den Mann liebten. Sieben neue Lieder sind auf "Räuberzivil", viel Bekanntes wie "Bestandsaufnahme" und "Ich hab's versucht", auch Hits, die ihn der breiten Masse bekannt machten: "Finden Sie Mabel", "Wenn Du nicht wiederkommst". Und dann gibt es da noch reichlich gesprochenen Text, Kunze seziert und analysiert. Klug, beißend, sehr intellektuell, der Mann war immer mehr als nur ein Sänger, und wenn er auch selbst einmal behauptete "Glaub keine Sänger", so kann man ihm doch immer noch in vielen Dingen trauen.

Das mag auch daran liegen, dass Heinz Rudolf Kunze viel reist. In den kleinsten Nestern in Ost und West gastiert er seit Jahren schon. Er liebe die Provinz, erzählt er im Gespräch mit der MZ. Dass es bei der Talkrunde am Mittwoch in Dessau auch um 20 Jahre Wende gehen wird, ist ihm klar. "Ich habe ja Gelegenheit, Befindlichkeiten aufzunehmen, da bleibt mir kaum was verborgen", erzählt Kunze und macht eine gewisse Ernüchterung im Osten aus. "Die Menschen wissen ganz genau, was ausgeblieben ist, aber auch was passiert ist", meint er, eine "gewisse Normalität" stelle sich nun ein.

Der Osten Deutschlands war dem gebürtigen Osnabrücker immer sehr nah. "Wir hatten viel Verwandtschaft hier, in den Herbst- und Osterferien war ich bei der Oma bei Berlin und dann wurde die ganze Sippe besucht", sagt er. So war Kunzes Blick auch nie mystisch verklärt, wie es bei vielen Linksintellektuellen des Westens in den 1970er Jahren gang und gäbe war. "Da hielt ich mich zurück." Einem politischen Lager war er ohnehin nie fest zuzuordnen. "Ich habe mir immer das rausgepickt, was mir wichtig war", sagt Kunze.

Am Mittwoch will er in Dessau nicht nur reden, sondern auch singen, mit seiner kleinen Besetzung von "Räuberzivil" lasse sich das gut machen. Und den Titel der CD erklärt er vorher auch: "Ich habe ja einen Faible für Ausdrücke, die im Verschwinden begriffen sind. Räuberzivil ist so einer. Und so wie es der Begriff meint, werden wir auch auftreten, ungezwungen".

Für den Abend kann das nur gut sein, denn Matthias Horndasch will in der Marienkirche nicht nur mit seinem Gast, sondern auch mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Horndasch ist ein mediales Multitalent, ist Journalist, Autor, Pianist und Komponist. Mit Talk-Show-Formaten und Themengesprächen ist er deutschlandweit unterwegs. Mit seinem Gast Kunze und dem Talk-Show-Ort Dessau hat er eine Menge Anknüpfungspunkte. Es sei an die "Stern-Umfrage" vor ein paar Jahren erinnert, als Osnabrück als lebenswerteste Stadt Deutschlands genannt wurde und Dessau das Schlusslicht war. Und hat es was zu bedeuten, dass O-4500 und W-4500 die Postleitzahlen beider Städte vor 20 Jahren waren? Horndasch kann dem nachgehen. Und wenn er nicht mehr viele Worte machen will, dann tut's am Mittwoch auch die Musik, nicht umsonst ist Jazz im Titel des Abends annonciert.

Mit dabei ist für diesen Part Matthias Horndaschs Ensemble "The New International". Gemeinsam mit Ramani Krishna aus Indien und Joe DiCarlo aus den USA begreift sich Pianist Horndasch in dieser Besetzung als Nachfolge-Formation des legendären Trios "The International". Virtuoses und Mood-Betontes im Fusionsbereich von Klassik, Jazz und Jazzrock sind angekündigt. Statt der üblichen Moderationen zwischen den Konzerttiteln erzählen Horndasch, Krishna und DiCarlo Miniaturgeschichten bzw. Anekdoten aus ihren bewegten Künstlerbiografien zwischen unterschiedlichen Ländern. Wie viel freilich davon in Dessau zu Gehör kommt, wird man sehen. Vorrangig soll es beim neuen Format des Anhaltischen Theaters schließlich um Toleranz gehen.