Dessau Dessau: Alte Staatsbank soll "Ort der Bewegung und Harmonie" werden

Dessau - Dass er auf seine alten Tage noch mal mit so vielen jungen Leuten unter einem Dach wohnen würde, das hätte Berthold Bruhnke nicht gedacht. Seit 1958 ist die ehemalige Staatsbank in der Hans-Heinen-Straße sein Zuhause und war in den verschiedenen Epochen der Bank, von 1949 bis zum Dezember 1992, auch sein Arbeitsplatz.
Bislang haben schon zwei Ehemaligentreffen des Bankpersonals stattgefunden. Teilgenommen hat auch der ehemalige Chef und zweitjüngste Bankdirektor der DDR, Hans-Rolf Fahrtmann. Es besteht der Wunsch, weitere Treffen zu machen. Nächste Gelegenheit für solch ein Treffen ist das Quartiersfest am 21. Juni , zu dem ab 14 Uhr auch der Tresorraum für alle Interessierte geöffnet sein wird. (syk)
Bruhnke war der einzige Mitarbeiter, der eine Schusswaffe tragen durfte. Mehr als 200 Frauen hatte der heute 81-Jährige zeitweise im Haus. So viele Damen - und eine Handvoll Männer - arbeiteten in dem Bankhaus. 1990 wurde die ehemalige Staatsbank zu Dresdner Bank. Und 1993 wurden die Pforten geschlossen. Es zog Ruhe ein in das Gebäude, das fast 20 Jahre leer stehen sollte, ehe es von einem jungen Dessauer zu neuem Leben erweckt wurde. Mit Erfolg. Berthold Bruhnke gefällt das neue quirlige Leben in „seinem“ Haus, auch wenn er die Angebote nicht mehr selbst nutzen kann.
Es war im Jahr 2012, als die ersten Handwerker in die Hans-Heinen-Straße 48/49 kamen und erst einmal alles auf den Kopf stellten. Sämtliche Leitungen wurden erneuert. Fußböden, Wände - alles. 2.500 Quadratmeter Grundfläche waren umzugestalten. „Ich habe etwas Kreatives, etwas Spezielles gesucht“, erzählt der 38-jährige Käufer, der mit einer Vision im Kopf anfing und diese nach und nach in die Tat umsetzte. Die alte Kassenhalle sei es gewesen, die es ihm ganz besonders angetan hatte, erzählt er und bittet um Verständnis, dass er mit seinem Namen noch nicht in der Zeitung stehen wolle. „Wenn alles so ist, wie es sein soll, dann können Sie auch meinen Namen schreiben“, verspricht er, wohlwissend, dass er beim Wort genommen werden wird.
Doreen Richter war mit ihrer Tanzfabrik die erste Mieterin im Haus. Das war im Herbst 2012 und mitten in einer Baustelle. „Mir gefällt seine Vision - und ich glaube daran“, sagte sie damals. Und sieht sich heute bestätigt. Inzwischen ist sie längst nicht mehr allein in dem Haus.
Von Kickboxen bis Nageldesign - welche Angebote es in der Staatsbank gibt, lesen Sie auf Seite 2.
Andreas Heinicke bietet Kampfsportarten wie Kickboxen oder Thaiboxen an, Birgit Donath und Burkhard Duhm laden zum Yoga ein, Bianca Thiele bietet Kurse im Tai Chi und Qigong. Und zuguterletzt ist die Nageldesignerin Carolin Brand zu nennen, die im Dezember mit ihrem Studio in die Staatsbank zog. „Mich hat das Gesamtkonzept gelockt, dieses Miteinander, das hier entstehen kann“, begründet sie ihren Umzug aus einer „guten Geschäftslage“ in dieses Quartier. Inzwischen fühle sie sich sehr wohl und hat sogar Erweiterungspläne. Auch Fußpflege will sie künftig mit anbieten.
Die Synergien des Hauses waren es auch, die Bianca Thiele überzeugt haben, ihre Tai-Chi-Kurse hier anzubieten. „Das kann ein richtiger Magnet werden.“ Aber auch die Atmosphäre des Hauses, die Menschen hinter den Türen, hätten sie sofort begeistert. „Ich bin angekommen und fühle mich pudelwohl hier.“ Was in der Tat nicht lange gedauert hat, denn Bianca Thiele ist erst seit Januar im Haus. Zuvor hatte sie ihre einjährige Ausbildung zur Tai-Chi-Lehrerin abgeschlossen.
Zwischen Bewegung und Harmonie
Ein Fitnessstudio mit Sauna im Erdgeschoss - in der erwähnten einstigen Kassenhalle - wird die Vision vom „Wohlfühl“-Haus komplett machen. Derzeit sind die Ausbauarbeiten im Gange. Ende 2016, so die Pläne des jungen Eigentümers, soll das Studio fertig sein und dann allen, „die sich ein bisschen bewegen und fit halten möchten“, offen stehen. „Zwischen Bewegung und Harmonie“ beschreibt er das Konzept, das er in dem Haus verwirklichen will.
Dabei geht der Eigentümer mit der wechselvollen und interessanten Geschichte des Hauses behutsam um. Und so finden sich an vielen Orten große und kleine Zeugen der Geschichte - wie die Schließfächer im Foyer, wo aber leider die Schlüssel verschwunden seien. Oder der Nachttresor, der in den künftigen Umkleideräumen der Frauen zu besichtigen sein wird.
Richtig historisch wird es im Keller des Hauses. Dort ist der ehemalige Tresor-Raum zu finden. Wer möchte, kann genau dort seinen nächsten Geburtstag feiern. Der Raum kann für private Feierlichkeiten gemietet werden. Ein ganz besonderes Flair ist garantiert im Keller des ältesten Bankhauses der Stadt, das 1924 eröffnet worden ist - hinter einer dicken Stahltür, diversen Eisengittern und mit einem Geldaufzug im Partyraum, der aus den Anfangsjahren des Hauses stammt und auch Technik-Freaks begeistern dürfte.
„Es ist ein offenes Haus, das gefällt mir“, hatte Carolin Brand gesagt. Und so werden die Türen des ehemaligen Bankhauses auch künftig weit offen stehen - jedem Dessauer, der sich im Haus umsehen oder eines der Angebote nutzen möchte. Und Dienstleistern auf kosmetischem oder medizinisch-therapeutischem Gebiet, die sich in die Gemeinschaft der Mieter einreihen möchten oder einen der Kursräume für Ernährungs- oder andere Seminare nutzen wollen. Tanztrainer und andere Kursleiter sind ebenfalls willkommen.
Die oberen Etagen sind übrigens nicht nur das Zuhause von Berthold Bruhnke, sondern auch von neun Studenten der Hochschule Anhalt, die hier in einer WG zusammen wohnen. (mz)
