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Die unsichtbare Gefahr Dessau ächzt unter dem Eichenspinner - Deutlich mehr Patienten mit Ausschlag im Klinikum

Von Oliver Müller-Lorey Aktualisiert: 24.06.2021, 09:09
Bereiche und Sportplätze rund um das Stadion waren bereits in der vergangenen Woche wegen des Spinners gesperrt worden.
Bereiche und Sportplätze rund um das Stadion waren bereits in der vergangenen Woche wegen des Spinners gesperrt worden. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau - Endlich Wochenende, endlich hochsommerliche Temperaturen, endlich mal wieder mit Freunden und der Familie schöne Stunden im heimischen Garten verbringen. So dachte Doreen Tischer, als sie und ihre Familie es sich am Wochenende auf ihrer Terrasse in Dessau-Törten gemütlich machten. Was sie nicht ahnten: Ungebetene Gäste waren auch da.

Härchen des Eichenprozessionsspinners sorgen für einen juckenden Ausschlag

Die Härchen des Eichenprozessionsspinners, der sich in der Stadt derzeit massiv ausbreitet, flogen durch die Luft und bescherten sowohl der Familie, als auch ihren Gästen stark juckenden Ausschlag. „Bereits am Samstagfrüh waren wir alle übersät von roten, juckenden Pusteln. Am Samstag hatten wir Besuch von Freunden, welche nicht in Törten leben. Diese hatten am Sonntagmorgen über gleiche Symptome geklagt“, berichtet Tischer. Die Haut, die nicht bedeckt gewesen sei, sehe aus wie nach einer Masern-Infektion. Und je mehr man kratze, desto schlimmer werde es.

Die Tischers sind bei weitem nicht die einzigen Betroffenen. In der Notaufnahme des Städtischen Klinikums meldeten sich allein am Sonntag den Angaben von Krankenhaussprecher Gelfo Kröger zufolge 31 Patienten mit Hautausschlag - sechsmal so viele wie an gewöhnlichen Wochenenden. „An einem normalen Wochenende kommen nur rund fünf Personen mit Hautproblemen“, berichtet er. Man verschreibe den arg geplagten Patienten Salben.

Wer unter der Woche medizinische Hilfe wegen allergischer Reaktionen suche, solle sich aber zunächst an seinen Haus- oder Hautarzt oder die Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigung wenden, sagt Kröger. Nur im Notfall und außerhalb der Sprechzeiten sei eine Notaufnahme der richtige Ort.

Zahlreiche Leser aus dem Raum Törten berichten der MZ über juckende und brennende Stellen am ganzen Körper. Das Tückische: Selbst wer sich von den Insekten fernhält und sie nicht berührt, kann betroffen sein. So wie Katja Waldbauer, die ebenfalls in Törten wohnt und seit Donnerstag unter einer allergischen Reaktion leidet. „Die Tiere nicht anzufassen, reicht eben nicht. Die feinen Härchen fliegen über mehrere Hundert Meter weit“, sagt sie. „Ich kenne in unserer Straße kaum einen, der gerade nicht betroffen ist.“

Zunächst dachte Katja Waldbauer an Flöhe, Bettwanzen oder anderes Ungeziefer. Sie wechselte die Bettwäsche, doch das Problem blieb. Erst in der Apotheke sagte man ihr, dass der Eichenprozessionsspinner schuld am Ausschlag ist.

Stadt hat bereits 47 Hinweise zu Nestern bekommen - vor allem aus Törten und Haideburg

Auch bei der Stadt ist das Problem bekannt. Rathaussprecher Carsten Sauer zufolge gingen beim Gesundheitsamt in diesem Jahr bereits 47 Hinweise zu Nestern und befallenen Gebieten ein. „Besonders viele Meldungen kommen aus dem Raum Törten, Haideburg, Waldersee, Mildensee sowie dem Vorderen und Hinteren Tiergarten“, sagt Sauer.

Zu Beginn des Ausschlags sind nur einige kleine Rötungen zu sehen, später ist die Haut mit deutlich mehr roten Pusteln übersäht.
Zu Beginn des Ausschlags sind nur einige kleine Rötungen zu sehen, später ist die Haut mit deutlich mehr roten Pusteln übersäht.
Foto: Leserfoto

In diesem Jahr habe man bereits an 5.000 Bäumen Raupen mit Bioziden bekämpft. „Wir tun alles, was im Rahmen unseres Budgets möglich ist“, so der Stadtsprecher. Sobald die Raupen sich verpuppten, was Mitte, Ende Juli der Fall sein könne, würden Nester zudem abgesaugt. Um Flächen, wie vor einigen Jahren, mit Chemie aus der Luft mittels Hubschraubern zu bekämpfen, müssten sich mehrere Grundstückseigentümer mit der Stadt zusammentun. Da spiele das Land als großer Waldbesitzer eine wichtige Rolle. Die städtischen Flächen allein seien für einen Hubschraubereinsatz zu klein.

Helfen Blaumeisen im Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner?

Für viele Betroffene heißt das zunächst, dass sie mit der Plage leben müssen. Doreen Tischer und ihre Familie wissen sich derzeit nicht anders zu helfen, als die Fenster zur Tiergartenseite geschlossen zu lassen. „Aber ob das hilft, wissen wir auch nicht“, sagt sie. Ein kleiner Lichtblick sind die Bemühungen des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), der sich dem Kampf gegen den Spinner ebenfalls angenommen hat. „Ich hatte Kontakt mit einer Mitarbeiterin, die gesagt hat, dass Blaumeisen die Spinner fressen. Da wir nur Spatzen in unserem Garten haben, will sie mir am Mittwoch ein Vogelhäuschen für Blaumeisen vorbeibringen.“

Das sei natürlich nicht alles an Anstrengungen, die der LHW unternimmt, betont Flussbereichsingenieurin Moreen Hielscher. Auch der LHW arbeite mit Bioziden und werde die Nester nach der Verpuppung absaugen. „Im Rahmen der Deichschau hatten wir in diesem Jahr nur fünf befallene Eichen gesehen und uns schon gefreut, dass der Eichenprozessionsspinner in diesem Jahr weniger Probleme macht“, schildert sie. Davon, dass nun doch so viele Dessauer Ausschlag hätten, sei sie überrascht.

Die Stadt hat beim Gesundheitsamt eine Sonder-Rufnummer eingerichtet. Sie lautet: 0340/ 2 04 22 22