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Den Kochstedtern stinkt es Den Dessau-Kochstedtern stinkt es: Dünger und Biogasanlagen sorgen bei Anwohnern für Unmut

Von Tim Fuhse 14.05.2018, 10:21
m Frühjahr wird gedüngt - das sorgt für dicke Luft.
m Frühjahr wird gedüngt - das sorgt für dicke Luft. Picture Alliance

Kochstedt - Die Sorgen im Ortschaftsrat kann Andreas Hänsch nur zu gut nachvollziehen. „Das riecht richtig beißig und intensiv, je nach Windrichtung“, schildert der Mitarbeiter des städtischen Umweltamts mit leidgeprüfter Mine - er wohne selbst hinter einem Feld, auf dem übel miefendes Düngemittel aufgetragen werde.

In Kochstedt ist dieses Problem gerade akut. Anfang April hätten sich Beschwerden über unangenehme Gerüche aus der Landwirtschaft gehäuft, erklärt Ortsbürgermeister Hans-Joachim Pätzold und fügt an: „Vorige Woche habe ich das auch selbst feststellen müssen.“ Deshalb hat der Ortschaftsrat Hänsch bei seiner Sitzung am vergangenen Dienstag hinzugebeten. Der Mann vom Amt für Umwelt- und Naturschutz soll aufklären.

Üble Düfte für die Landwirtschaft unausweichlich

Die Hoffnungen auf Frischluft muss er ein Stück weit enttäuschen. „Grundsätzlich wird sich an der Geruchsbelästigung nichts ändern“, berichtet Hänsch. Landwirte müssten sich bei der Zufuhr von Nährstoffen - dem Düngen - nach dem Bedarf ihrer Pflanzen ausrichten. Vor allem im Frühjahr führe an den üblen Gerüchen deshalb kein Weg vorbei. „Der Landwirt hat Zwänge“, versichert Hänsch. Anwohnern werde zugemutet, den Gestank in zehn Prozent der Jahresstunden zu ertragen. In Randlagen sei die Zahl noch höher.

Wahlloses Düngen sei jedoch nicht erlaubt. Das Umweltamt überprüfe die landwirtschaftlichen Betriebe in der Region regelmäßig. „Unsere Kontrollen zeigen, dass die Landwirte nicht viel falsch machen“, berichtet Hänsch. Die Düngeverordnung sei zudem verschärft worden. Unter anderem dauere die Sperrfrist nun einen Monat länger - von Oktober bis Februar sei das Düngen durchgängig verboten. „Von Juli bis September sollten sie nicht mehr so viele Probleme haben“, gibt Hänsch sich hoffnungsvoll.

Biogasanlage in der Polysiusstraße sorgt seit Ende 2014 für unangenehme Gerüche

Ortsrätin Britta Grahneis hört den Ausführungen des Umweltamtlers an diesem Abend aufmerksam zu. Die Geschäftsführerin der Tischlerei Körting leidet selbst massiv unter üblen Gerüchen aus der Landwirtschaft. Direkt gegenüber von ihrem Betrieb in der Polysiusstraße steht eine Biogasanlage.

Seit Ende 2014 verarbeitet das Münchner Unternehmen BayWa hier für die französischen Betreiber Evergaz und Meridiam jährlich knapp 60.000 Tonnen landwirtschaftliche Abfallstoffe zu Strom, der ins Netz der Stadtwerke fliest. Die Dünste der Biomasse sind alles andere als wohlriechend.

„Mit dem Ostwind kommt der ganze Gestank rüber“, beklagt Marvin Grahneis, Mit-Geschäftsführer der Tischlerei. Der Sohn der Ortsrätin wohnt zudem auf dem Gelände des Betriebs. „Wir können zu Hause kein Fenster aufmachen, nicht im Garten grillen - es ist wirklich sehr lästig“, schildert er. Zudem wirke sich der Mief auf die Firma aus. „Die Kunden finden das nicht gerade angenehm“, so Grahneis. Die Münchner Firma habe er bereits kontaktiert, ohne Antwort.

Neue Biogasanlage entsteht am Scherbelberg

Seit kurzem treibt ein Bauvorhaben der Familie zudem neue Sorgenfalten in die Stirn. Am nahe gelegenen Scherbelberg lässt der Stadtpflegebetrieb eine Vergärungsanlage für Abfälle aus der Biotonne errichten. Britta und Marvin Grahneis befürchten neue Gestanksschwaden.

„Mein Bauchgefühl sagt, die neue Anlage wird nicht zu vielen Beschwerden führen“, schätzt Andreas Hänsch im Ortschaftsrat ein. Bei der BayWa-Anlage habe die Stadt keine Handhabe, hier sei das Landesverwaltungsamt zuständig. Die nährstoffreichen Gärreste aus solchen Biogaspro-zessen landen am Ende teils wieder auf den Feldern der Landwirte - als Dünger.

Sie müssten aber schnell eingearbeitet werden, erklärt Hänsch. Wenn die miefenden Haufen zu lange im Freien liegen blieben, empfiehlt er einen Anruf beim Umweltamt. „Wir sind auf Ihre Mithilfe angewiesen“, meint Hänsch. Ansonsten bleibe eine letzte Möglichkeit: Der Dialog mit dem Landwirt. (mz)