Das Erbe einer Meisterin Das Erbe einer Meisterin: Ein besonderes Geschenk für die Bauhaus-Stiftung in Dessau

Dessau - Der Vorhang geht auf, Applaus schallt durch den Raum. Stolz stehen die Künstler auf der Bühne in der Aula des Bauhauses und präsentieren das Meisterwerk: Ein Wandbehang der Künstlerin Gunta Stölzl.
Übergeben wurde er der Bauhaus-Stiftung vom Freundeskreis des Bauhauses im Rahmen der Mitgliederversammlung am Samstag.
„Unsere jährliche Versammlung findet sonst in den Sommermonaten statt, aber aufgrund der Übergabe haben wir sie extra auf den Tag des Bauhausfestes verschoben“, erzählt Ingeborg Arnold, Mitglied des Freundeskreises.
Entwurf der einzigen Bauhausmeisterin der damaligen Zeit
Vorlage für den Wandbehang war ein Entwurf der seit über 30 Jahren verstorbenen Künstlerin Gunta Stölzl. Vertreten wurde sie durch ihre Tochter, Monika Stadler, die für die Übergabe aus den Niederlanden nach Dessau gereist ist.
„Meine Mutter war Bauhausmeisterin für die Weberei und die einzige weibliche Bauhausmeisterin in dieser Zeit“, so Monika Stadler. Mit diesem Wandbehang erhoffe sie sich, dass die Weberei am Bauhaus mehr Bekanntheit erlangt.
Denn: Zwar liegen im Bauhaus-Archiv bereits mehrere Webproben von Gunta Stölzl, doch nun erhält das Archiv das erste fertiggestellte Textilwerk.
Entwurf sorgte für einige Probleme bei der Materialauswahl
Möglich gemacht wurde das nun von der Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein in Halle. Die größte Herausforderung dabei: Die Interpretation der Farben auf dem nur wenige Quadratzentimeter großen Entwurf.
Katharina Jebsen, Absolventin des Textildesigns an der Kunsthochschule der Burg Giebichenstein, beschäftigte sich im Vorfeld mehrere Wochen allein nur mit der Farb- und Materialauswahl. „Besonders bei der Wahl der Garne tat ich mich zunächst schwer. Ich habe mich dann oft gefragt: Was hätte Gunta Stölzl gemacht“, erzählt die Absolventin den Anwesenden vor der Präsentation.
Am Ende fiel die Wahl auf eine Mischung aus Baumwolle und sogenannten metallisiertem Garn, das den glänzenden Effekt des Textilwerkes bewirkt. Der gesamte Prozess von Entwurfsauswahl bis hin zur Fertigstellung dauerte anderthalb Jahre.
Der Teppich wird seinen Platz im neuen Bauhaus-Museum finden
Dass die Burg Giebichenstein den Zuschlag für die Realisierung des Entwurfs erhielt, liegt unter anderem an der Webtechnik, mit dieser der Wandbehang hergestellt wurde. „Wir haben einen Jacquard-Webstuhl für die Herstellung des Wandbehangs verwendet.
Die Vorlage wird im Vorfeld in ein Computerprogramm geschrieben und dann durch den Webstuhl ausgeführt“, erklärt Katharina Jebsen. Aber: „Dennoch handelt es sich um einen Hand-Webstuhl, da eine Weberin den Schussfaden mit der Hand führen muss.“
Seit Samstag befindet sich das Kunstwerk nun in den Händen der Bauhaus-Stiftung. „Mit dem Wandbehang wurde ein Stück Bauhaus-Vergangenheit in die Gegenwart gebracht“, freut sich Claudia Perren, Direktorin der Stiftung.
Und das Engagement der Künstler und des Freundeskreis des Bauhauses wird belohnt: In zwei Jahren wird das Erbe von Gunta Stölzl seinen Platz im Bauhaus-Museum finden. (mz)
Jan Hofmann ist der neue Vorsitzende des Kreises der Freunde des Bauhauses. Der ehemalige Kulturstaatssekretär des Landes Sachsen-Anhalt, der als Experte für Kultur- und Bildungspolitik gilt und nach seinem Studium an der Humboldt-Universität Berlin bildungspolitischer Sprecher des Runden Tisches der DDR war, wurde am Samstag von den Mitgliedern des Freundeskreises auf der Jahresversammlung in Dessau gewählt.
Die Übernahme des Vorsitzes ist für Hofmann eine besondere Aufgabe. „Der Kreis der Freunde des Bauhauses ist mit der Vielfalt seiner Mitglieder und mit seiner Tradition, die ja bis zu Walter Gropius als Gründer zurückführt, ein ganz besonderer Freundeskreis.
Ich freue mich sehr darauf, mit dem Verein die Stiftung Bauhaus Dessau gerade jetzt in Hinblick auf das 100-jährige Bauhausjubiläum und die Eröffnung des Bauhaus Museum Dessau begleiten und unterstützen zu dürfen.“
Mit großem Dank verabschiedeten die Mitglieder zugleich Christoph Stölzl als Vereinsvorsitzenden. Der international renommierte Historiker ist ein Neffe der Bauhausmeisterin Gunta Stölzl und vertrat den Verein seit 2013.
Der Kreis der Freunde des Bauhauses hat als Verein eine lange Tradition. Walter Gropius selbst gründete ihn im Jahr 1924, um das damals noch in Weimar tätige Bauhaus finanziell zu retten.