Wie der Rolling-Stones-Schlagzeuger nach Dessau kam Charlie Watts in Dessau: „Keine Ahnung, wo ich bin, aber ich fühle mich einfach wohl hier“
2011 verbrachte der nun verstorbene Rolling Stones Schlagzeuger drei Tage in der Bauhausstadt. Eingeladen hatte ihn die Dessauer Veranstalterin Bianka Mrosek-Zabel.

Dessau/MZ - „Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, aber ich fühle mich einfach wohl hier“, soll Charlie Watts 2011 während eines fast dreitägigen Zwischenstopps in Dessau mit Konzert in der Marienkirche gesagt haben. Er, der Rockstar, Schlagzeuger der Rolling Stones, der am Dienstag 80-jährig in London starb.
Die Musikwelt trauert um einen ihrer höflichsten, ruhigsten und bescheidensten Helden. Und die Dessauer, die ihn 2011 erleben, ja sogar persönlich kennenlernen durften, trauern dieser Tage noch einmal ganz besonders um „ihren“ Charlie Watts.
Charlie Watts in Dessauer Kultclub „Cadillac“: „Als er die Treppe runter kam, ist mir das Herz stehen geblieben“
Allen voran Bianka Mrosek-Zabel. Denn eines steht fest: Ohne die Chefin des Dessauer Kultclubs „Cadillac“ hätte der Rolling Stone wohl niemals einen Fuß in die Bauhausstadt gesetzt. „Als er am 1. November 2011 die Treppe runter kam in meinen Club, ist mir das Herz stehen geblieben. Ich dachte nur, da kommt jetzt ein Rolling Stone’.“ Und das Cadillac habe gleich Erinnerungen in Watts wachgerufen. „Er sagte, ,so waren die Clubs, in denen wir mit den Stones angefangen haben.’ Nur dass er damals knöcheltief im Wasser gestanden habe“, gibt Mrosek-Zabel wieder.
Vor diesem denkwürdigen ersten Moment lagen bereits drei verrückte Wochen hinter der Cadillac-Chefin. „Ich hatte im Fernsehen gesehen, dass Charlie mit einer Band namens The ABC&D of Boogie Woogie durch Deutschland tourte.“ Am Klavier saß der international gefragte Pianist Axel Zwingenberger, den Mrosek-Zabel schon zu Konzerten nach Dessau geholt hatte und mit dem sie auf freundschaftlichem Fuß stand. „Ich habe also all meinen Mut zusammengenommen, Axel angerufen und ihm vorgeschlagen, mit Charlie Watts doch auch bei uns aufzutreten.“
Zwingenberger gefällt die Idee und er fädelt tatsächlich einen Konzert-Termin für den 2. November ein. Zu diesem Zeitpunkt sind es drei Wochen bis zum Auftritt und die Cadillac-Chefin realisiert plötzlich, vor welcher Aufgabe sie steht. Umso mehr, da in Stadt und Rundfunk kaum jemand Notiz davon genommen habe, dass der Besuch eines internationalen Superstars bevorsteht. „Es hat keiner so richtig wahrgenommen. Das war ganz traurig.“ Sie fällt einen Entschluss: „Dann mache ich es eben ganz alleine.“
Dessauer verbringen legendären Abend mit Charlie Watts im Cadillac: „Er blieb bis halb eins in der Nacht“
Mrosek-Zabel macht sich in die Spur, mietet die Marienkirche für das Konzert und stellt einen improvisierten Kartenverkauf über die Konditorei Mrosek und das Cadillac auf die Beine. Daraufhin hätten Tag und Nacht Leute aus ganz Deutschland angerufen, die ganz aus dem Häuschen gewesen seien. Für die Technik holt die toughe Veranstalterin die Dessauer Firma i:tecs ins Boot. Doch damit ist es noch lange nicht getan: Da die Musiker nur mit Handgepäck reisten, musste Mrosek-Zabel auch noch Flügel mieten, einen Kontrabass auftreiben und ein Drum-Set der Marke Gretsch für Charlie Watts. Die Dessauerin buchte auch die Hotelzimmer, organisierte die Security und machte sogar das Catering für die Legende selbst. „Es gab dann schönes Essen im Cadillac. Er aß ja gern ohne Fleisch und Fisch.“

All der Aufwand zahlte sich aus. Nicht nur das Konzert wurde ein voller Erfolg. Auch der Vorabend im Cadillac wird für die, die damals dabei waren, unvergesslich bleiben. Dabei hatten Watts’ Begleiter die Erwartungen zuvor noch deutlich gebremst. Er trinke seinen Tee und dann fahre er ins Hotel, sagten sie zu Mrosek-Zabel. „Doch dann blieb Charlie bis halb eins in der Nacht. Die Security wurde schon ungeduldig“, erinnert sich die Cadillac-Chefin. „Er war so bescheiden, so reizend und nett. Man konnte ganz ungelöst sein.“ Einzig über die Stones habe Watts nicht sprechen wollen. „Und wir haben immer darauf geachtet, dass wir auch die anderen Musiker der aktuellen Band einbeziehen. Er wollte nicht anders behandelt werden als sie, sonst wurde er sauer.“ Unter den Gästen damals war auch Thomas Ruttke, heute MZ-Fotograf, der das denkwürdige Ereignis mit seiner Kamera verewigte.

„Charlie hat mich zum Abschied gedrückt und sich für die Tage bedankt und dann ist er vor dem Hotel noch drei Mal ums Rondell gefahren.“
Die Gespräche an dem Abend hätten sich viel um Dessau gedreht. Wohl auch ein Grund, warum Mrosek-Zabel tags darauf für Watts Führungen im Technikmuseum und im Bauhaus organisieren sollte. „Er war sehr interessiert an Kultur und Kunst.“
Richtig aufregend wurde es für die Dessauer Veranstalterin noch einmal beim Konzert. „Charlie hatte bestimmt, dass die Absperrungen vor der Bühne weggenommen werden sollen. Die Security hatten Sorgen.“ Aber es sei alles glatt gegangen. „Die Fans kamen rein mit Fieberbacken und konnten ihm dann so nah sein. Alle waren so sehr glücklich.“ - Auch ohne Stones-Songs im Gepäck.
Als Watts am nächsten Tag abreist, gibt ihm Bianka Mrosek-Zabel eine Tüte mit. Darin eine Stolle, Infos über Dessau, ein Cadillac-T-Shirt und die Baumkuchenspitzen der Konditorei Mrosek, die die Musiker so mochten. „Charlie hat mich zum Abschied gedrückt und sich für die Tage bedankt und dann ist er vor dem Hotel noch drei Mal ums Rondell gefahren. Das war mein größtes Konzert und es war so schön!“
Die Nachricht von Charlie Watts’ Tod am Dienstag ist für die Cadillac-Chefin ein Schlag gewesen. „Aber wenn ich hier an meinem Tresen stehe, denke ich, hier hat Charlie Watts gestanden und sich seine Getränke selber gemixt.“