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Bundesverdienstorden Bundesverdienstorden: Jugendpfarrer als Gegner der Gleichgültigkeit

Von Carla Hanus 16.10.2013, 19:39
Ein besonderer Tag war für Dietrich Bungeroth aus Dessau (rechts), Manfred Armin Hans Huth aus Freyburg, Klaus Erich Pollmann aus Samswegen und Kurt Reifarth aus Walternienburg. Ministerpräsident Reiner Haseloff überreichte ihnen Bundesverdienstorden.
Ein besonderer Tag war für Dietrich Bungeroth aus Dessau (rechts), Manfred Armin Hans Huth aus Freyburg, Klaus Erich Pollmann aus Samswegen und Kurt Reifarth aus Walternienburg. Ministerpräsident Reiner Haseloff überreichte ihnen Bundesverdienstorden. Staatskanzlei/Ines Berger Lizenz

Dessau/MZ - „Der Gegensatz von Liebe ist nicht Hass/ Der Gegensatz von Hoffnung ist nicht Verzweiflung/ Der Gegensatz von geistiger Gesundheit und gesundem Menschenverstand ist nicht Wahnsinn/ und der Gegensatz von Erinnerung heißt nicht Vergessen/ sondern es ist nichts anderes als jedes Mal/ die Gleichgültigkeit“ -

Diese Zeilen des US-amerikanischen Schriftstellers und Überlebenden des Holocausts Elie Wiesel, hat Dietrich Bungeroth einer Schrift über die Spurensuche zur Jüdischen Gemeinde in Bernburg vorangesetzt. Das war vor 25 Jahren. Diese Zeilen sind dem 65-Jährigen aber auch heute noch wichtig. Und vielleicht ist es ja genau das Gegen-Gleichgültigkeit-Ankämpfen, was ihn als Pfarrer in Bernburg wie in Dessau, was ihn ebenso als Pfarrer im Ruhestand umtreibt. Wofür ihm gestern das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen wurde.

Den in Wörlitz in der Nähe des Jüdischen Friedhofes aufgewachsenen Bungeroth hat es nicht gleichgültig gelassen, dass das Tor zum Jüdische Friedhof in Bernburg Ende der 1980er Jahre einfach offen stand, dass Dreiviertel der Grabsteine umgestoßen waren und Grünzeug diese und auch die anderen überwucherte. In einem Arbeitskreis der evangelischen Martinsgemeinde wurden Spuren gesucht, elf Seiten umfasst allein die Auflistung der Daten, die auf den Grabsteinen gefunden wurden.

Kontakte als Friedenspolitik

Der Jugendpfarrer Bungeroth stand der Grenze zwischen Ost und West nicht gleichgültig gegenüber. Ihm war damals schon klar, dass das Aufrechterhalten und Pflegen von Kontakten Friedenspolitik bedeutet. Begegnungen zwischen Jugendlichen aus der DDR und der Bundesrepublik wurden deshalb immer wieder organisiert, auch hier beobachtet und oft genug kritisiert von der Staatssicherheit, wie auch bei der Suche nach Spuren der Jüdischen Gemeinde.

Der Theologe bleibe schon gar nicht gleichgültig, als Menschen in der DDR einen Ort des Protests suchten. Evangelische und katholische Christen öffneten ihre Gotteshäuser für Friedensgebete. Der Ruf „keine Gewalt“ kam aus den Kirchen und führte schließlich zur friedlichen Revolution.

Dem seit 1990 in Dessau lebenden Dietrich Bungeroth ist es nicht gleichgültig, was mit der Elbe passiert. Was vor 20 Jahren als Aufgabe formuliert wurde, ein konfliktarmer Ausbau der Elbe, das ist für ihn noch immer Programm. Es geht ihm um die Erhaltung der Schönheit der Elbauen, der Vielfalt des Lebens, um die Bewahrung der Schöpfung.

Die Aufzählung, die in der Begründung für die gestrige Auszeichnung von der Staatskanzlei nur in Stichpunkten angerissen wurde, ließe sich fortsetzen. Doch das will der Pfarrer im Ruhestand, in den er vor knapp vier Jahren in der Auferstehungskirche verabschiedet wurde, nicht.

Er sagt lieber: „Wir lassen uns die Welt was angehen.“ Und legt die Betonung auf das Wort wir. Bei allen den bisher genannten Aktivitäten. Es seien doch immer mehrere gewesen, denen die Zustände nicht gleichgültig waren, die gemeinsam gehandelt haben und handeln. Die Gemeindekirchenräte zum Beispiel, die 1989 sagten, dass die Kirchen für die friedliche Revolution geöffnet werden. Oder eben zehn Jugendmitarbeiter in der Kirche, die sich schon zu DDR-Zeiten für inner- und außerkirchliche Friedensarbeit über die innerdeutsche Grenze hinweg eingesetzt haben. Oder eben die Bürgerinitiative „Pro Elbe“, die sich für den Fluss engagiert und von der zwei Vertreter am Runden Tisch zur Elbe mit Verkehrs- und Umweltministerium, mit Naturschutzverbänden, mit Land und Ämtern sitzen. Und „ein Pfarrer ist nichts ohne seine Ehrenamtlichen“, unterstreicht Bungeroth ausdrücklich. Egal, welches Vorhaben er angehen wolle. Diese Erfahrung habe er in seinen 35 Dienstjahren gewonnen und dafür ist er dankbar.

Aber Engagement braucht Impulsgeber. Für diesen nennt er Grundsätze: auf den Ton kommt es an, auf Verlässlichkeit, auf die klare Formulierung, worum es geht und auf fachliche Kompetenz. Dass dies Grundsätze seines Handelns sind, das können die beurteilen, die mit ihm zu tun haben. Es muss jedenfalls was dran sein. Sonst hätte Bungeroth mit den verschiedenen Mitstreitern, die in dem jeweiligen Bereich mitgewirkt haben, nicht so viel erreicht.

Arbeit geht weiter

Mit dem Denkmal in Wörlitz mit 300 Gesteinsfragmenten und der Inschrift „Gedenke, vergiss nie“ dort, wo sich bis 1938 der jüdische Friedhof des Ortes befand, mit dieser engagierten Arbeit vieler schließt sich der Kreis für die gestrige Ehrung Bungeroths und bleibt doch offen. Denn Bungeroth arbeitet weiter. Dort in Wörlitz an einem Toleranzweg, hier in Dessau unter anderem an Aktionen gegen Rechts. Auch schon für 2014. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Denn Bungeroth lässt sich die Welt was angehen.