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Bundesfreiwilligendienst Bundesfreiwilligendienst: Bleiben Ältere bald außen vor?

Von Heidi Thiemann 11.02.2014, 20:33
Peter Liensdorf, Gudrun Hälbig und Andreas Böttcher (hinter Reihe von links) sind drei von insgesamt vier Bundesfreiwilligen (Bufdis), die sich in der Ölmühle Roßlau engagieren. Insgesamt gibt es in der Stadt 65 Bufdis.
Peter Liensdorf, Gudrun Hälbig und Andreas Böttcher (hinter Reihe von links) sind drei von insgesamt vier Bundesfreiwilligen (Bufdis), die sich in der Ölmühle Roßlau engagieren. Insgesamt gibt es in der Stadt 65 Bufdis. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - Neue Bewerber haben derzeit keine Chance auf eine Stelle im Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). Der deutschlandweite Stopp - insbesondere für Bewerber über 25 Jahre - trifft auch Dessau-Roßlau. Unter 25-jährige Bewerber, sagt Jens Kauß, persönlicher Referent von Sozialdezernent Gerd Raschpichler, gibt es kaum. „Der Koordinierungsstelle Arbeit und Soziales liegen keine Bewerbungen dieses Personenkreises vor“, erklärt er. Eine Stellenbesetzung ab September 2014 wäre deshalb aus heutiger Sicht gar nicht möglich.

Mehr als 90 Prozent der Bewerber um solch eine Stelle in Dessau-Roßlau sind Ältere über 27 Jahre. Denn laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben können sich Menschen jeden Alters im Bundesfreiwilligendienst engagieren. Voraussetzung: Sie müssen ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben.

Aktuell, gibt Antje Mäder, Pressesprecherin im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Auskunft, „gibt es 65 Bundesfreiwillige in Dessau-Roßlau“. 33 Männer und 32 Frauen. „Derzeit sind sieben Freiwillige unter 27 Jahre alt“, so Mäder.

Junge Menschen haben Alternativen

Dass junge Leute sich kaum um solch eine Stelle bewerben, ist für Jens Kauß nachvollziehbar. Zum einen gibt es quasi für jeden Schulabgänger einen Ausbildungs- oder Studienplatz, „Überbrückungszeiträume liegen also kaum vor.“ Zum anderen stehen den jungen Leuten als Alternative auch die Möglichkeit eines freiwilligen sozialen, ökologischen oder politischen Jahres offen, „das ein wesentlich attraktiveres Einkommen hat“. Beim Bundesfreiwilligendienst gibt es ein maximales Taschengeld von 330 Euro.

Wenn jetzt nur auf junge Leute gesetzt werden würde, „diskriminiert dies die Älteren“, stellt Kauß fest. Die Stadt Dessau-Roßlau hat selbst 28 Stellen im Bundesfreiwilligendienst, wovon fünf nicht besetzt sind, weil es am Kontingent oder an Bewerbern fehlt. Fast alle Stellen waren zuvor Zivildienststellen, wie im Tierpark, in der Anhaltischen Landesbücherei oder dem Jugend-, Kultur- und Seniorenfreizeitzentrum „Krötenhof“. Neu sind elf Stellen der Ortschaftsratsassistenten, die über den Bundesfreiwilligendienst besetzt werden konnten. 22 Jahre ist die Jüngste der Bundesfreiwilligen bei der Stadt, das Gros ist über 40 und 50 Jahre alt.

Die Motivation gerade von Älteren komme nicht von ungefähr, weiß Kauß. „Viele hatten sich auch vorher schon ehrenamtlich engagiert. Die Stellen sind also auch ein Stück weit Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit.“

Ältere waren schon lange aktiv

Helmtrud Ziska, Leiterin des Mehrgenerationenhauses Ölmühle in Roßlau, bestätigt das. Mit Gudrun Hälbig (64), Manuela Onesciuc (43), Peter Liensdorf (56) und Andreas Böttcher (51) gibt es vier Bundesfreiwillige. Hälbig, Liensdorf und Böttcher hatten zuvor schon in der Ölmühle gearbeitet, als Leiterin des Mühlentreffs bzw. als Honorarkräfte für den Computerclub. Als die Mehrgenerationenhaus-Förderung durch das Bundesfamilienministerium Ende 2012 auslief, konnten ihre Stellen nicht weiter aufrechterhalten werden.

Trotzdem blieben die Drei der Ölmühle ehrenamtlich verbunden. Doch nun gibt es dank der Bufdi-Regelung wieder den Computerclub, wird das Familientöpfern weiter angeboten und am Dienstag der Kaffeeklatsch für Kreative.

Auf dem Arbeitsmarkt, sagt Peter Liensdorf, hatte er als Elektroniker nach längerem krankheitsbedingtem Ausfall keine Chance mehr. „Hier werde ich gebraucht. Komme unter Leute. Das gefällt mir.“ „Wir profitieren voneinander“, sagt Ziska und weiß, dass sie sich auf ihre älteren Bufdis verlassen kann, auch wenn mal, wie letzten Sonntag, plötzlich Not am Mann ist, weil die Technik streikte. Ein kurzer Anruf und Andreas Böttcher war da. Auch ihm macht es viel Spaß, in der Ölmühle zu helfen. Die Diskussion um die Bufdi-Plätze hat er verfolgt: „Warum sollten denn aber, nur weil es zu wenig junge Leute gibt, Plätze unbesetzt bleiben“, fragt er sich.

Insgesamt sieben Plätze hatte Ziska beantragt. „Wir hätten noch viele Aufgaben, wie etwa die Betreuung der Heimatstube. Alleine schaffen wir das nicht.“ Und dass nun ein Platz, den ein Mitarbeiter krankheitsbedingt kündigen musste, nicht nachbesetzt werden darf, ärgert sie zudem. Die Bufdis, stellt sie fest, sind wichtig, um die Ölmühle am Laufen zu halten.