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Buchpatenschaften Buchpatenschaften: Neue alte Pracht in Dessau wiederbelebt

Von Silvia Bürkmann 01.08.2014, 17:36
Gabriele Schneider überreicht Jürgen Kessing voller Dank die Urkunde für die von der Wiedeking-Stiftung übernommene Buchpatenschaft.
Gabriele Schneider überreicht Jürgen Kessing voller Dank die Urkunde für die von der Wiedeking-Stiftung übernommene Buchpatenschaft. Sebastian Lizenz

Dessau/MZ - Tintenfraß, Papierzerfall und stürmische Jahrhunderte hatten den fünf Büchern - gedruckt zwischen 1559 und 1727 - aus dem Bestand der Herzoglich Anhaltischen Behördenbibliothek schwere Schäden zugefügt. Jetzt konnten sie dank Buchpatenschaften von fachkundigen Experten restauriert und gestern in neuer alter Pracht der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Die Reihe der Berufsfotografen um den Ausstellungstisch verdreifacht sich um die Anwärter mit Privatkameras, Smartphones oder Handys. „Bitte ohne Blitz“, heißt es parallel zur Begrüßung der Gäste im Palais Dietrich. Der Besuch - etwa eine Busladung groß - kommt aus Ludwigsburg in Baden-Württemberg kurz vor den Toren Stuttgarts und ist Dessau doch persönlich verbunden. Zum Landkreis Ludwigsburg gehört nämlich auch die Doppelstadt Bietigheim-Bissigen. Und dessen Oberbürgermeister Jürgen Kessing war von 1996 bis 2004 Finanzdezernent, ab 2001 Bürgermeister in Dessau.

„Das Gesicht kennst du doch! Nur woher?“

Im Oktober 2013 besuchte der Stiftungsrat der WiedekingStiftung Bietigkeim-Bissingen auf Kessings Initiative auch Dessau-Roßlau. Im Programm war die Wissenschaftliche Bibliothek verankert. Und im fremden Publikum fiel der Referentin und Einrichtungsleiterin Martine Kreißler immer wieder ein markantes Herrenporträt auf. „Das Gesicht kennst du doch! Nur woher?“ Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, bis 2009 Vorstandsboss des profitablen Autobauers und nach seinem Rücktritt Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu Marktmanipulationen und Insiderhandel mit nach und nach eingestellten Verfahren, irrlichterte und funkelte im letzten Herbst durch Dessau-Roßlau. Der deutsche Top-Manager zeigte sich angetan von dem historischen Schätzen Dessaus. Im Dezember jedenfalls hat der Vorstand der Wiedeking-Stiftung, neben Bietigheim-Bissingen auch in Stuttgart und Wiedekings Geburtsstadt Beckum in Nordrhein-Westfalen aktiv und im Grundstock basierend auf einer millionenschweren Porsche-Abfindung, eine Spende beschlossen in Höhe von 5 000 Euro für die Restaurierung von Büchern in der Aktion „Buchpaten gesucht“.

„Unser Schatzkästlein der Anhaltischen Landesbücherei Dessau“, freut sich deren Direktorin Gabriele Schneider „behütet Bestände beginnend von Handschriften aus dem 10. Jahrhundert bis in die Neuzeit und ist somit noch reicher geworden.“ Vor den Besuchern aus der SPD-Kreistagsfraktion Ludwigsburg öffnet dann Martine Kreißler besagtes Schatzkästlein. Aber nur ein wenig. Denn einen bestaunten Live-Auftritt der ältesten Schriften und Prachtexemplare verbietet das aktuelle Hochsommerwetter. „Wir haben hier keinen klimatisierten Ausstellungsraum, leider.“ Also müssen zum Teil Plakate und Fotos die Buchwerke beschreiben, die Originale bleiben in den sicheren Magazinen. Bereits das mündliche Drama um die Rückkehr der dreibändigen Cranach-Bibel elektrisiert kunstbeflissene Besucher, die sich die Sonder-Ausstellung im Cranach-Jahr 2015 vormerken.

Der Himmelsatlas mit großformatigen, handkolorierten Kupferstichen von heutzutage fast unbekannten Sternbildern neben den Tierkreiszeichen darf im Original faszinieren: Hirtenjunge David spielt Harfe für König Saul, Schiffbauer Noah baut seine Arche vor der Sintflut. Gedruckt 1681 in Amsterdam, strahlen die Farben auch 350 Jahre später noch wie unberührt. „Sie sind unberührt. Ohne neuzeitliche Verzierungen“, betonen Martine Kreißler und Gabriele Schneider voller Stolz.