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Flug-Leidenschaft Besonderes Geschenk zum 100. Geburtstag: Onkel Rolf fliegt noch einmal über Dessau

Zum 100. Geburtstag schenken die Neffen einem Dessauer Segelflug-Fan einen Rundflug. Von Turbulenzen lässt er sich nicht abschrecken.

Von Oliver Müller-Lorey Aktualisiert: 13.06.2022, 16:28
Rolf Brumm (links) und Pilot Uli Leyser hoben am Sonntag gemeinsam in Dessau ab. Der 100-Jährige hat den Flug geschenkt bekommen.
Rolf Brumm (links) und Pilot Uli Leyser hoben am Sonntag gemeinsam in Dessau ab. Der 100-Jährige hat den Flug geschenkt bekommen. (Foto: Oliver Müller-Lorey)

Dessau/MZ - Kaum größer als ein Kleinwagen ist die Kabine des zweisitzigen Flugzeugs, das am Sonntagvormittag frisch betankt auf dem Rollfeld des Dessauer Flugplatzes steht. Pilot Uli Leyser öffnet das transparente Verdeck und zeigt seinem Passagier, wie er am besten hineinkommt. Ein knapper Meter ist es vom Boden aus bis zur Kabine. Selbst für jemand sportlichen gar nicht so einfach. Wie mag es dann einem 100-Jährigen ergehen? Dieses stolze Alter hat Rolf Brumm erreicht, der in wenigen Minuten abheben wird.

„Sie können auch hier auf den Sitz treten“, sagt Leyser. „Ach, was, das geht schon“, erwidert der Senior und schwingt sich geschickt in die Kabine. Ein Lächeln wandert über sein Gesicht, als er sich Kopfhörer und Funkgerät aufsetzt. Verdeck zu, Daumen nach oben, die Maschine rollt auf die Startbahn und kurz darauf sind die beiden Männer am Dessauer Himmel verschwunden.

Flug über Wörlitz, Oranienbaum und Wittenberg bis zur Goitzsche in Bitterfeld

Der Rundflug von etwa einer Stunde ist ein Geschenk von Rolf Brumms Neffen, Henry Simon, und seiner Frau. Am 1. Juni „nullte“ der Senior, der sowohl körperlich als auch geistig topfit ist und noch immer selbstständig alleine lebt. Das Geschenk war freilich kein alltägliches für einen Mann in diesem Alter, wie Henry Simon zugibt. „Wir haben lange überlegt, was wir ihm schenken. Dass er an der Fliegerei interessiert ist, wussten wir“, sagt er.

Mit der zweisitzigen Maschine geht es in die Luft.
Mit der zweisitzigen Maschine geht es in die Luft.
(Foto: Müller-Lorey)

Erst sei die Wahl auf eine Ballonfahrt gefallen. Aber da bei der Landung häufig der Korb unsanft aufkommt und umkippen kann und ihr Onkel bereits eine gebrochene Hüfte kuriert hat, wurde diese Idee verworfen. „Dann haben wir uns erinnert, dass er früher Segelflieger war.“ Auf die Frage des Dessauer Fliegerclubs, ob der betagte Herr es wohl gut ins Flugzeug schaffen werde, antwortete Simson: „Der Onkel ist schneller drin als der Pilot.“ Und damit sollte er Recht behalten.

Der Flug ist für Brumm ein wahres Highlight. Zuvor hatte er sich bereits eine Route ausgeguckt und gewünscht: Über Wörlitz, Oranienbaum und Wittenberg bis zur Goitzsche in Bitterfeld. Und natürlich auch übers Wohnhaus in Dessau. Dem kommt Leyser nach und zeigt seinem Passagier bei strahlendem Sonnenschein am Sonntagmittag Anhalt von oben.

Brumm war zuletzt zu DDR-Zeiten nach Moskau geflogen

„Alles war sehr gut erkennbar, da wir nur in 300 bis 400 Metern Höhe geflogen sind“, sagt Brumm nach der Landung. Sogar den niedrigen Wasserstand in den Kanälen des Gartenreiches habe man von oben gut erkennen können. Ganz so komfortabel wie eine Verkehrsmaschine - Brumm war zuletzt zu DDR-Zeiten nach Moskau geflogen - war der Flug in dem Motorgleiter allerdings nicht.

„Durch die Thermik habe ich Auf- und Abwinde deutlich gespürt. Es hat ganz schön gehoppelt“, resümiert der Rentner. Aber schlecht sei ihm nicht geworden. „Natürlich habe ich alles gut vertragen!“

Das mag auch daran liegen, dass Brumm viel Flugerfahrung hat. Im Alter von 15 Jahren begann er mit dem Segelfliegen - damals noch mit primitiven Methoden an Abhängen und einem vornehmlich aus Holz gebauten Segelflieger, der per Winde in die Höhe gezogen wurde. Beruflich blieb er dagegen auf dem Boden. Brumm studierte Maschinenbau und Chemische Verfahrenstechnik und arbeitete später im Hydrierwerk Rodleben

Viele Wenden und Umbrüche machte er in seinem bisherigen Privat- und Berufsleben schon mit

Viele Wenden und Umbrüche machte er in seinem bisherigen Privat- und Berufsleben schon mit: Zweiter Weltkrieg, DDR, Mauerfall und Treuhand. Bis 1990 arbeitete er m Hydrierwerk - länger als er eigentlich hätte arbeiten müssen. Die Fliegerei hat ihn währenddessen stets fasziniert aber einen Pilotenschein hat er nie gemacht und flog daher auch nie ein motorisiertes Flugzeug selbst.

Auch am Sonntag steuert Leyser das Flugzeug durch die Lüfte und landet gegen 12 Uhr wieder auf dem Flugplatz. Brumms Fazit fällt, bevor es zum Weiterfeiern ins Kornhaus geht, eindeutig aus: „Ich habe es genossen, es war schön. Der Pilot war ein angenehmer Begleiter. So einen Flug kann ich nur empfehlen.“