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Ausstellung - Galerie Bauart Ausstellung - Galerie Bauart: Schöner Schemel

Von Thomas Altmann 05.09.2001, 17:14

Dessau/MZ. - Ein Stuhl ist ein Stuhl und ein Hocker hat keine Lehne. Im Auge des Orkans ist alles still. Ebenso klar seien die Fakten um die Urheberrechte am Kufenhocker B9 von Marcel Breuer. Deshalb schickte der Galerist Peter Schrader dem Hocker in der Bauhauskantine sozusagen die rote Karte. Theatralisch inszeniert das Ganze und pünktlich zum Roten Fest.

Mit der Ausstellung "Im Auge des Orkans..." hakt sich die Galerie Bauart ein in den Streit zwischen Wahrheitssuche und Kommerz: Als die Kantine des Bauhauses wieder eingerichtet wurde, baute die Firma Tecta die Tische, lehnte jedoch ab, eine matte, kalt vernickelte Version des Hockers zu bauen. Auf den Schwarzweiß-Fotos der originalen Einrichtung glänzen die metallischen Teile des Hockers weit weniger als etwa die der Aulabestuhlung. Nach Aussage von Werner Möller von der Stiftung Bauhaus habe die Firma Tecta nur eine glänzende Serienversion oder eine rot lackierte angeboten. Tecta-Chef Axel Bruchhäuser setzte dagegen, dass er eine kalt vernickelte Version abgelehnt habe, weil die Hocker der Kantine mit grauer Farbe angestrichen gewesen seien, welche die Firma Junkers im Flugzeugbau verwendet habe.

In der Galerie Bauart wird unter anderem ein Hocker von Breuer aus dem Stuhlmuseum Burg Beverungen der Firma Tecta gezeigt. Dieser stamme aus der Kantine des Bauhauses und sei in den Besitz von Peter Keler gekommen, der bis 1925 am Bauhaus in Weimar war. Unter der roten, wahrscheinlich späteren Übermalung befindet sich graue Farbe. Die Stiftung Bauhaus dagegen beruft sich auf einen Hocker aus dem Nachlass von Franz Ehrlich, der andere Eigenschaften aufweise.

Die Nachbauten, die jetzt in der Kantine stehen, hat die Stendaler Firma L .& C. gefertigt und das sei, nach Ansicht von Bruchhäuser, ohne Lizenz geschehen. Von Marcel Breuer und dessen Witwe habe seine Firma eine Erlaubnis zum Nachbau. Eine erste Klage beim Landgericht Düsseldorf wurde zurückgewiesen, weil in den Verträgen der Hocker nicht ausdrücklich genannt sei. Jetzt gäbe es konkrete Verträge mit Constance Breuer. Die Stadt Dessau erhebt Anspruch auf die Vermarktung der einst am städtischen Bauhaus entworfenen Gegenstände. Nun aber läge eine eidesstattliche Erklärung des kürzlich verstorbenen Fritz Müller vor. Dieser habe als Lehrling bei Karl Körner mit an den Projekten Breuers gearbeitet. Die nicht gezeigte Erklärung belege die graue Lackierung und besage unter anderem, dass Breuer nach Feierabend bei Junkers an seinen Möbeln gearbeitet habe. Somit käme Breuer ein gleiches Recht auf seine Arbeit zu wie etwa Lyonel Feininger auf seine in Dessau entstandenen Bilder.

Die Entstehungszeit des Hockers ist schwer überschaubar, weil das Bauhaus in Dessau 1925/26 an verschiedenen Orten in der Stadt arbeitete. In der Ausstellung ertrinken die Originale in einer Fülle von verpackten oder unverpackten Klonen. Beinah ungeschickt kommerziell überzogen, riecht es nach interessengeleiteter Wahrheitssuche. Eine eidesstattliche Erklärung und neue Verträge aber könnten die Karten neu mischen.

Kunst oder nicht Kunst, das ist am Ende die Frage. Denn der Hocker muss ein Kunstwerk sein, damit Urheberrechte geltend gemacht werden können. Im Museum of Modern Art steht er längst. Früher saßen Studenten darauf und irgendeiner hat vielleicht irgendeinen dieser Hocker respektlos rot angepinselt. Gebrauchsfähiges Kunstwerk oder genial gestalteter Gebrauchsgegenstand? Ein Gericht muss darüber urteilen. Das ist grotesk und spannend. Aber auch der Entscheid wird nicht vom Himmel fallen, sondern in der Rezeptionsgeschichte der Moderne wurzeln. Am Ende weiß man höchst richterlich autorisiert, was Kunst ist.